Vampirsaga 02 - Honigblut
hatten sich so schnell geändert, dass sie kaum noch hinterherkam. Informationen über die Struktur der vampirischen Rangordnung, Magie und Zerfall lösten einander im Minutentakt ab.
Ihr eigenes Leben hatte sich in dem Moment verändert, als sie in einem verschlossenen Sarg aufgewacht war – als Blutsaugerin und Spielball eines Wettkampfes, der seit Jahrhunderten tobte. Niemand hatte damit gerechnet, dass sie den uralten Fluch um Edward brechen und seine Familie befreien würde. Am allerwenigsten die Hexe Morna, die letztendlich die Kontrolle über ihre Ränkeschmiede verloren hatte, und durch die Hand ihrer eigenen Schwester gestorben war.
Xylos konnte Sofias Gedanken beinahe von ihrem hübschen Gesicht ablesen. Am liebsten hätte er sie geschüttelt und ihr klargemacht, dass sie keine Schuld an dem Aufruhr trug, dass sie nur um ihr Leben gekämpft hatte, und alles andere die Konsequenz einer verpfuschten Politik war.
Edwards Aufgabe! Und er war sich sicher, dass der Magistrat der Königin bereits alles getan hatte, um seine Frau von ihren Schuldgefühlen zu befreien.
Also tat der Callboy das Einzige, in dem er gut war. Er lenkte sie ab, indem er die Glock in ihrer kleinen Hand ausgiebig beäugte. „Ich bin beeindruckt!“
Sofias schelmisches Grinsen zeigte dem Vampir deutlich, das sie auf „beeindruckend“ verzichten konnte, solange sie nur eine Waffe hatte, um sich zu schützen.
„Und ich dachte, du glaubst, jedes Leben sei wertvoll und einmalig!“, witzelte er und war froh, ein echtes Lächeln auf Sofias Lippen zu erkennen.
„Jedes Leben IST wertvoll!“, bestätigte die Vampirin, verstaute die Waffe in ihrem Holster und fügte hinzu. „Aber manche Leben sind wertvoller als andere.“
„Danke. Nehme ich an!“ Xylos verbeugte sich spielerisch. „Ist Edward auch hier?“
„Nein!“ Sofia schüttelte den Kopf, was ihre blonden Haare in reizvolle Bewegung versetzte. „Er versucht, Informationen für Joel zu finden, ich habe mich nur kurz verdrückt.“ Jennifer Schreiner Honigblut
Xylos starrte einen Augenblick lang in die Dunkelheit, dorthin, wo kurz zuvor ein unbekannter Vampir gestanden hatte. Obwohl er wusste, dass es überflüssig war, entschloss er sich zu fragen: „Hast du den anderen Vampir erkannt?“
„Welchen anderen Vampir?“
„Dort hinten!“ Er ließ seinen Worten eine Bewegung folgen und deutete in die Richtung, aus der er die Aura empfangen hatte.
„Da war nichts.“
„Dann muss ich mich getäuscht haben.“ Enttäuscht ließ Xylos den Arm wieder sinken. Unbekannt und schnell.
„Ich glaube nicht, dass du dich getäuscht hast!“, murmelte Sofia
„Warum? Weil ich mich nie täusche?“, neckte Xylos schelmisch. „Noch einmal danke!“
„Idiot!“ Die Vampirin blickte noch kurz in die Finsternis, bevor sie sich zu dem Callboy umdrehte. Ihre Bewegungen waren beinahe so anmutig wie die ihrer Schwester. „Willst du eigentlich nicht wissen, wieso ich zufällig zum richtigen Zeitpunkt vorbeigekommen bin?“
„Wäre direkt meine nächste Frage geworden!“
Kommentarlos kramte Sofia in ihrer Jackentasche, zückte einen Brief und reichte ihn dem Callboy.
Xylos Magen revoltierte, als er die Handschrift des Magnus erkannte. Gib den Schlüssel Sofia und Sofia allein!, hörte er den Sterbenden sagen. Hatte er vorher noch an Sofia einen Brief geschrieben? Kannte er die Verlockung des Schlüssels für Xylos? Die Verlockung, die Melanie für ihn darstellen würde?
Der Callboy spürte, wie seine Beine nachzugeben drohten, als er sich vorstellte, dass Magnus geplant hatte, ihm Melanie zuzuführen. Der Alte musste gewusst haben, dass Xylos nicht widerstehen konnte und sie zu einem Vampir machen würde. Wie musste Magnus gelacht haben, als er sich ausmalte, alles Sofia in einem Brief mitzuteilen und dem Callboy Melanie wieder wegzunehmen.
„Würdest du bitte lesen?“ Er konnte die Ungeduld in Sofias Worten hören. Nein! Hätte Sofia auch nur den Hauch eines Verdachtes, hätte sie auf mich geschossen, nicht auf Nemesis!
Xylos überflog die erste Seite. Sie enthielt nichts weiter als eine Entschuldigung und Erklärungen für Magnus Intrigen, die Sofias Erschaffung betrafen. Er war verblüfft darüber, dass Sofia ihn diese Zeilen lesen ließ; sie sagten mehr über ihr Vertrauen in ihn aus, als ihr vielleicht bewusst war.
Angestrengt starrte er auf die fein geschwungenen schwarzen Linien, damit Sofia
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