Vampirzorn
Unteroffizier schwenkte sein Fernglas in die andere Richtung, um zu sehen, was Chang Lun so beunruhigte. Der Major merkte, wie er zusammenzuckte, als er ebenfalls die Fledermäuse erblickte. »Was, zum Teufel ...?«
»In der Tat, der Teufel!«, nickte Chang Lun.
Die beiden Männer duckten sich tiefer und kauerten sich hinter ihre Steinmauer. Die Augen weit aufgerissen, sahen sie einander furchtsam an, und als ihre Blicke zurück zu dem Yak wanderten, verspürte jeder von ihnen ein gutes Maß an Erleichterung, als sie feststellten, dass das arme Tier den Geist aufgegeben hatte; sofern es nicht tot war, war es jedenfalls vor Erschöpfung zusammengebrochen. Und als die riesigen Albinofledermäuse unweit von ihnen vorüberzogen, vernahmen sie einen flüchtigen Moment lang das Schlagen ledriger Schwingen.
In der uralten Stadt ...
... gingen währenddessen die Lichter an. In den Fensteröffnungen in den Wällen und Türmen wurden trübe Laternen entzündet, und bleiche Gesichter huschten, nicht minder unheimlich als die Fledermäuse, von Fenster zu Fenster. Drakeshs Frauen kamen, um ... Nun, um was zu tun?
»Sie schauen zu!«, flüsterte der Unteroffizier, wie zur Antwort auf die unausgesprochene Frage des Majors. »Diese Frauen wollen doch tatsächlich zuschauen!« Er vergaß jede Förmlichkeit, doch seinen Vorgesetzten interessierte dies nicht mehr. Chang Lun war klar, dass sein Fahrer, nicht anders als er selbst, ahnte, was nun geschehen würde. Überall sonst auf der Welt wäre es ... unvorstellbar, an etwas Derartiges auch nur zu denken, nicht jedoch hier! Hier, an diesem Ort – der beiden Männern mittlerweile zuwider war – schien es das Nächstliegende.
Und diese Frauen: Wie Gespenster glitten sie, mit ihrem kranken Lächeln auf den Lippen, durch die Stadt! Doch was gab es an solch einem Ort schon zu lächeln? Oh, sie standen unter dem Bann ihres Gebieters, daran gab es nicht den geringsten Zweifel. Aber was für ein Bann war dies? Sie mochten verurteilte Kriminelle sein, doch was war mit ihnen – mit ihrem Geist, ihrer Menschlichkeit – geschehen, dass sie so etwas mit ansehen konnten?
Der Schwarm riesiger Fledermäuse schraubte sich in die Tiefe, stürzte sich aus dem nächtlichen Himmel hinab auf sein Opfer, das zu keinem Widerstand mehr fähig war. Schwer wie Steine fielen sie auf ihn, klammerten sich wie Blutegel an Kopf, Hals, Körper und Gliedmaßen des bebend auf seinem felsigen Totenbett liegenden Yaks. Sie scharten sich um ihn, bis der graue, massige Umriss erst weiß und dann ... rot wurde!
Es geschah innerhalb eines Augenblicks! Blut troff aus ihren gierigen Mäulern, schoss aus durchbissenen Arterien!
»Herr Major!«, presste der Unteroffizier erstickt hervor, indem er sein Fernglas weglegte.
»Habe ich es Ihnen nicht gesagt?«, knurrte Chang Lun. »Dieser Bastard in seinem verdammten, albtraumhaften ›Kloster‹ – er züchtet dort irgendwelche Wesen. Und ich möchte nicht wissen, was jetzt, in diesem Augenblick, in diesen teuflischen Frauen heranwächst. Ich nehme an, die Fledermäuse sind ebenfalls seine Züchtung! Und damit hat er nichts Gutes im Sinn, darauf können Sie Ihr Leben wetten!« Kaum hatte er dies gesagt, dämmerte ihm, dass sie wahrscheinlich schon allein, indem sie sich hier befanden, ihr Leben aufs Spiel setzten.
Doch nein, diese grässliche Karikatur eines Mannes auf dem Dach des Klosters dort drüben wusste ja gar nicht, dass sie hier waren, und hatte keine Ahnung davon, was sie gesehen hatten. Mit einem Ruck schwenkte der Major sein Fernglas wieder zurück an die Stelle, die er zuvor beobachtet hatte, und stellte es hastig auf die Kuppe des aus dem Fels gemeißelten Schädels scharf. Die dürre Gestalt befand sich immer noch dort, und Chang Lun nahm an, dass er in seine Richtung blickte.
Du kannst mich nicht sehen, dachte Chang Lun, aber dafür ich dich. Und eins verspreche ich dir, Daham Drakesh: Sollte je der Tag kommen, an dem ich dich fertigmachen kann, werde ich es tun. Und zwar mit Vergnügen!
Mit einem Mal schien die Luft wie elektrisch geladen, und Chang Lun entsann sich des Gefühls von vorhin, jener merkwürdigen Empfindung, dass jemand ihn durch sein eigenes Fernglas hindurch anstarrte. Das war natürlich vollkommen unmöglich; und dennoch ...
Ihm war, als wüchse die Gestalt auf der Klosterkuppel innerhalb von Sekundenbruchteilen zu riesenhafter Größe an, als sprenge Drakesh das Fernglas und breite sich in Chang Luns Geist aus! Von Angesicht zu
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