Vampyr
Stein. Im Rauchfang. Als würde dort etwas näher kriechen. Ohne sich von der Stelle zu rühren, streckte Catherine den Arm mit der Kerze nach vorn und schickte dem Kamin den zuckenden Schein entgegen.
Nur widerwillig wich die Schwärze im Innern einem zwielichtigen Grau. Staub und kleine Steinchen rieselten von oben in die Asche und wirbelten sie in winzigen Wölkchen auf. Ein Lufthauch erhob sich aus dem Kamin und fegte in den Raum. Die Kerze flackerte und erlosch. Finsternis senkte sich herab, so vollkommen und absolut, dass sie Catherine den Atem raubte. Das Schleifen und Scharren wurde mit jedem Herzschlag lauter. Mit einem Mal schien es hinter ihr zu sein. Grauen streckte seine langen dürren Finger nach ihr aus. Jeden Moment würde sie heißen Atem in ihrem Nacken spüren. Sie zuckte herum und schlug mit dem Kerzenleuchter zu. Zischend sauste das Eisen durch die Luft, ohne auf Widerstand zu treffen. Hektisch blickte sie sich um. Sie konnte noch immer nichts erkennen. Die Dunkelheit lag wie ein Schleier über dem Zimmer. Ein Schleier, der es vermochte, Raum und Zeit seinen eigenen Gesetzen zu unterwerfen. Die Kreatur der vergangenen Nacht lauerte hier irgendwo auf sie. Spielte mit ihr. Das Blut rauschte so heftig durch ihren Körper, dass Catherine glaubte jeden Moment die Besinnung zu verlieren.
Ich muss durchhalten. Sie zwang sich tief ein- und auszuatmen. Nur langsam ließ das Dröhnen in ihrem Kopf nach. Sie lauschte. Nichts. Für einen Moment schloss sie die Augen und ließ erleichtert den Atem entweichen. Dann wieder das Scharren von irgendwoher. Catherines Finger klammerten sich um den Kerzenleuchter, bis es schmerzte. Der Schmerz half ihr die Panik zu kontrollieren. Ich muss zur Tür.
Langsam und so leise wie möglich wandte sie sich um. Sie machte einen ersten Schritt, dann noch einen und noch einen. Sie hielt nicht inne, nahm sich nicht mehr die Zeit, zu lauschen, und konzentrierte sich nur darauf, einen Fuß vor den anderen zu setzen. Ihr Bein prallte gegen etwas. Erschrocken fuhr sie zurück und geriet aus dem Gleichgewicht. Sie stolperte und streckte die Hand aus, um ihren Sturz abzufangen. Der Kerzenleuchter entglitt ihr und schlug polternd zu Boden. Ihre Finger ertasteten etwas Weiches. Eine Bettdecke. Sie war gegen das Bett gestoßen. Zitternd holte Catherine Luft und versuchte sich wieder zu beruhigen. Die Tür musste links hinter ihr sein. Vorsichtig drehte sie sich um. Noch immer weigerte sich die Finsternis, auch nur graue Linien preiszugeben. Ein Vorhang kann ein Gemach nicht so vollkommen verdunkeln!
Beide Hände ausgestreckt ertastete sie sich ihren Weg. Ihre Fingerspitzen fanden etwas Glattes, Kühles. Die Kommode! Ein erleichterter Seufzer kam über ihre Lippen. Catherine stemmte sich dagegen, doch das Möbel wollte sich nicht rühren. Hinter ihr ertönten wieder Geräusche. Ein Knirschen. Als würde jemand – etwas – aus den Ascheresten des Kamins treten. Sie verstärkte ihre Anstrengungen, doch die Kommode ließ sich nicht bewegen. Unsichtbare Hände schienen sie an ihrem Platz zu halten. Das Knirschen wurde lauter. Entsetzt ließ Catherine von dem Möbel ab und schob sich langsam an der Wand entlang bis in eine Ecke des Raumes. Das Blut pochte schmerzhaft in ihrem Kopf. Rote Flecken tanzten vor ihren Augen. Sie hob die Hände und rieb sich die Schläfen. Die Flecken verblassten. Dann war da wieder nur Schwärze und …
… Schritte. Catherine drängte die Furcht zurück, die wieder ihre Klauen nach ihr ausstreckte. Wenn ich höre, von welcher Seite die Schritte kommen, kann ich mich vielleicht daran vorbeischleichen. Ich muss mich nur erinnern, wo welche Möbel stehen.
Verzweifelt lauschte sie, achtete auf jeden Laut, jedes noch so verhaltene Schaben. Nichts. Die Geräusche waren verstummt. Als hätte das Wesen innegehalten. Was, wenn es längst vor ihr stand? Nein! Ihr Gehör tastete in den Raum. Die Dunkelheit schien zu atmen. Catherine wartete darauf, dass erneut Schritte erklangen, doch es blieb still. Angespannt suchten ihre Finger nach der Wand in ihrem Rücken. Wenn sie sich jetzt wieder in Richtung Tür … Ein Scheppern ließ sie auffahren. Das Scharren von Metall auf Stein. Der Kerzenleuchter! Gefolgt von einem unmenschlichen Fauchen.
So nah! Catherines Herz tat einen entsetzten Satz, drohte aus ihrer Kehle zu springen. Dieses Mal ließ sich die Panik nicht mehr unterdrücken. Sie drängte sich weiter an die Wand zurück, bis sie glaubte eins mit dem Stein zu
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