Vanilla High (German Edition)
Auf Grundlage des Bildes kann ich keinen ganzen Roman unterbringen, verstecken, aber ein paar Sätze. Dies hatte ich gemacht. „Ich würde am liebsten das Methusalem Life Center in die Luft sprengen. Macht das Sinn? Könnt ihr helfen?“ Ich bin gespannt auf ihre Antwort. Sie würde mir auch ein Bild schicken, vermutlich ein Familienfoto mit ihren Kindern, in dem eine kleine Botschaft stecken würde. In unserer Welt ist es nicht verboten, Bilder auszutauschen, auch wenn sich die Kontrolleure der fast-totalitären Gesellschaften sich darüber bewusst sind, dass so ein verschicktes Bild als Träger für Geheimnachrichten genutzt werden kann, vorausgesetzt man verfügt über die nötige Untergrundsoftware. Seit meiner Begegnung mit Elisabeth verfüge ich darüber.
Theresa erweist sich als junge, schlanke Polin mit brünettem Kurzhaarschnitt. Sie spricht nicht ganz so flüssig Englisch und Französisch wie Alina Magdalena. Ich werde von Alina Magdalena mit Kuss begrüßt, bringe ihr Gepäck in den kleinen Kofferraum des 112E unter. Theresa versucht, Platz auf der hinteren Sitzbank zu finden. Es ist später Nachmittag. Ich sage ihnen, dass die Fahrt nach Saint Pierre etwa eine dreiviertel Stunde dauern wird. Mein Bruder hat uns zum Essen eingeladen. Gastfreundschaft ist für ihn ein hoher Wert. Ich freue mich auf seine Familie, auf die Kinder, auch wenn meine Gedanken durch die Präsenz von Alina Magdalena in andere Bahnen gelenkt werden. Es entwickelt sich in dem ruhigen Wagen eine Art Small Talk, bei dem ich grundsätzlich immer den Eindruck habe, dass ich langweile. Ich bin davon überzeugt, dass ich nicht Small-Talk-fähig bin, eine Selbsteinschätzung, die sich etwas legt, wenn ich am Abend begonnen habe, mich zu betäuben, oder anzuregen; es hat von beidem etwas. Jedenfalls geben mir Rotwein und Ganja subjektive Selbstsicherheit. Insofern fürchte ich nicht, dass der Abend für mich eine Katastrophe wird. Wenn ich Fragen beantworten kann, fühle ich mich wohler; insofern ist es nicht unangenehm, dass sich während der Fahrt aus Small Talk ein Frage-Antwort-Spiel entwickelt. Theresa fragt mich, ob ich schon selbst am Programm für Lebensverlängerung teilgenommen habe. Ich verneine, vermeide es aber, meine wahren Ansichten über dieses Geschenk der Tabok zu äußern. Mehr als ein Prozent der Bevölkerung seien behandelt. Sie wollen Details über die Behandlung erfahren. Ich muss zugeben, dass ich die selber nicht ganz kenne. Ich sehe keinen Sinn mehr darin, zu verschweigen, dass ich in den nächsten Wochen auf die drei Menschen treffe, die außerhalb von Reunion das erste Zentrum für Lebensverlängerung aufbauen und finanzieren. „Du triffst auf Mark Zuckerberg?“, fragt Alina. Aufgrund dessen müsse ich mich mit der Technologie mehr befassen, recherchieren. „Die DNA eines Menschen wird komplett verändert. Eine Art Virus, an sich harmlos, befällt die Zellen des Körpers und hinterlässt seine genetische Spur. Die Viren werden geradezu von normalen Zellen angezogen, sodass letztendlich alle normalen Zellen befallen und verändert werden. Dies ist aber alles leichter gesagt als getan.“ Ich erwähne, dass der Prozess etwa sechs Wochen dauert und eine komplizierte Überwachung erfordert. „Danach altern die Zellen nicht mehr, sind aber krebsanfällig. Dies erfordert eine zweite Maßnahme, die in regelmäßigen Abständen wiederholt werden muss.“ Ich erwähne das Methusalem Life Center. „Man schätzt, dass man dort in einigen Wochen die ersten Menschen behandeln kann. Und es wird vorerst nicht billig sein. Eine Primärbehandlung könnte um die 20 Millionen Euro kosten.“ Ich glaube, ein wenig die Enttäuschung der beiden spüren zu können. „Dann können sich das ja nur die Reichen leisten“, meint Theresa. „Vorerst ja, auf Reunion ist das etwas anderes. Hier mangelt es nur noch an genügend Kapazitäten, um in relativer kurzer Zeit die ganze Bevölkerung zu versorgen. Alina meint, sie könne sich einen Medizintourismus nach Reunion vorstellen. „Das widerspricht der politischen Lage. Reunion will nur einen marginalen Kontakt mit der Außenwelt und andersherum ist es eigentlich genauso. Die Welt hat Angst vor Reunion, und wenn ich ehrlich bin, wir auf Reunion haben Angst vor der restlichen Welt. Im Übrigen soll die hiesige Bevölkerung zuerst behandelt werden und das würde noch Jahre dauern.“ - „zwanzig Millionen Euro, das kann sich ein normaler Mensch nicht leisten“, sagt Theresa
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