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Variante Krieg oder Der Untergang des DDR - Planeten (German Edition)

Variante Krieg oder Der Untergang des DDR - Planeten (German Edition)

Titel: Variante Krieg oder Der Untergang des DDR - Planeten (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steffen Duck
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sich unterhalten, ja sich sogar seinen Gesprächspartner aussuchen, wie man das von den Wandertagen her gewöhnt war.
    Erst am Abend im Bett hatte Wilfried Muße, zu überlegen, daß Münzthal ihnen das Wander - und Naturerlebnis wie auch das Bergpanorama in klarer frischer Luft hatte gönnen wollen.
    Eine menschliche Regung Münzthals? Vielleicht auch das. Eher aber der Versuch, menschlich zu erscheinen, weil, wie man munkelte, Münzthal inoffizieller Mitarbeiter des Ministeriums für Staatssicherheit war, ein Stasi - Spitzel also, der auf ein gutes Verhältnis zu seinen unwissentlichen Zuträgern angewiesen war.

    Am nächsten Tag standen Marschieren, Exerzieren und Marschgesang auf dem Ausbildungsplan. Damit es nicht so kläglich aussah, wurde mit der gesamten Hundertschaft exerziert, die übrigens keineswegs 100 Mann stark war, sondern allenfalls 80 Mann.
    Scherer übernahm die Exerzitien, legte dabei seinen besonderen Ehrgeiz in einen militärisch zackigen Marschgesang.
    Hatte bei dem Lied „Spaniens Himmel breitet seine Sterne …“, der Hymne der deutschen Spanienkämpfer 1936 - 1939, der Refrain „Die Heeimaat ist weeiit …“ in Scherers schulischen Musikunterricht episch breit klingen müssen, so wurde hier der Zackigkeit allergrößter Wert beigemessen. „Die Heimatt ist weitt, doch wir sind bereitt, wir kämpfen und siegen für dich - Freiheitt!“
    „Ein Lied!“, so begann die Ansage aus der ersten Rotte.
    „Lied, zwo, drei, vier … durch!“ hatte es bis nach hinten zu erschallen.
    „Spaniens Himmel …!“ erklang es wieder aus der ersten Rotte.
    „… zwo, drei vier,

Spaniens Himmel breitet seine Sterne
    über unsre Schützengräben aus,
    und der Morgen grüßt schon aus der Ferne,
    bald geht es zu neuem Kampf hinaus! …“
    Nachdem das Spanienkämpferlied verklungen war, kehrte für einen Moment Stille ein - das heißt, man hörte nur den Gleichschritt der schwarzen Stiefel.
    Unterordnung, Aufgehen im Ganzen.
    „Du bist nichts, dein Volk ist alles.“ War das nicht schon wieder eine Naziparole, die Wilfried in den Sinn kam?
    In die Stille hinein ließ sich plötzlich wieder Vierer vernehmen:
    -
    „Wenn bei Danzig die Rote Flotte im Meer versinkt,
    und der Brashow, der Kommunist, vorm Kreml hängt,
    dann zieh´n Deutsche in deutschen Panzern in Moskau ein,
    und dann wird in Europa endlich mal Frieden sein!“
    -
    Wilfried konnte kaum fassen, was er da hörte. Gleich würde Scherer ihn zur Rede stellen, ihn aus dem Lager entlassen, ihm das Abitur verwehren. Doch es geschah … nichts!
    Noch einmal setzte Vierer an. Keiner von den Vorgesetzten, die dies unzweifelhaft gehört hatten, verbot ihm das Wort, keiner der Kameraden stieß ihn an, er möge das unterlassen.
    Die Situation begann für Wilfried irreal zu werden.
    Sollte dies die ultimative Provokation sein? Erwartete man die Selbstreinigung durch die Kameraden? Oder würde da durch die Hintertür ein neuer Nationalismus eingeführt werden, weil man womöglich glaubte, nur auf diese Weise die von der SED - Obrigkeit gewünschte Militarisierung der Gesellschaft hinzubekommen? Waren das die ersten Testballons?
    Wilfried begann zu frösteln.

    Am Abend erfolgte Hygieneappell. Ein Wilfried unbekannter Lehrer einer anderen Schule gab wertvolle Hinweise zu Hautpflege, Fußpilzprophylaxe und zum Zähneputzen.
    „Beim Waschen der Genitalien ist die Vorhaut stets zurückzuziehen und die Eichel mit Wasser und Seife zu säubern.“
    Wilfried blickte zur Seite in etliche rot angelaufene Gesichter. Wenigstens neigte er nicht zum Erröten.
    „Beim Stiefelputzen wird, wenn es Stiefel mit Leder - und nicht mit Gummisohlen sind, der Steg zwischen Sohle und Ferse mit eingeschmiert. Das wird nachher beim Stubendurchgang kontrolliert.“
    Selbiges traf für Wilfrieds unterschiedlich hohe Stiefel zu. Um den Höhenunterschied auszugleichen, hatte er sich rechtzeitig Einlegesohlen besorgt, doppelt übereinander gelegt, und man stand darin wieder gerade. Auch Ohropax gegen Hörschäden durch das Schießen hatte er immer bei sich. Daß er dadurch die Befehle möglicherweise nicht hören konnte, würde er gerade noch verkraften.
    „Die Sohle zu putzen - auf so einen Schwachsinn kann man auch nur bei der vormilitärischen Ausbildung kommen,“ knurrte er fast unhörbar vor sich hin.

    Kurz vor 22.00 Uhr kam der unbekannte Vorgesetzte nun tatsächlich zum Stubendurchgang und kontrollierte die Stege von Wilfrieds Stiefeln. Alle Zimmergenossen hatten dazu im

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