Varus - Historischer Roman
Freund!« Caldus hob die Hände, dabei kippte sein Becher um, rollte von der Kline, vergoss den goldfarbenen Inhalt noch in der Luft und schlug dumpf auf dem Teppich auf. »Du hast mir von einem Mord berichtet. Von einem Mord an einem Soldaten, der wie eine Hinrichtung aussieht.
Dabei fiel das Wort Verrat. Ich muss dem nachgehen, ich werde auch Meldung machen müssen.«
Wie eine Ohrfeige trafen Annius diese Worte; er presste die Kiefer aufeinander, ballte und öffnete hilflos die Fäuste.
»Wenn du jetzt gehst«, fuhr der Tribun leise fort, »wird es zu einem Verhör kommen, und du wirst deine Zeugin preisgeben müssen. Setz dich wieder hin, und ich werde sehen, was ich für dich tun kann.«
Annius verharrte auf der Stelle. Er hatte das Mädchen ohnehin schon verraten, nun musste er zusehen, wie er ihren Kopf aus der Schlinge ziehen konnte.
»Setz dich!«, wiederholte Caldus eindringlicher.
Gehorsam ließ Annius sich in den Klappsessel fallen und atmete mehrmals tief durch, ehe er aufblickte.
»Um es kurz zu machen: Ich habe sie beim Würfelspiel gewonnen. Ich habe sie diesem Dreckskerl Fufidius abgenommen. Ihren richtigen Namen kann man nicht aussprechen, deshalb nenne ich sie Rufilla.«
»Du bist das?« Die Miene des Tribuns hellte sich auf und er lachte. »Diese Geschichte ist bis zu mir vorgedrungen, allerdings wusste ich bisher nicht, dass der Mann, der diesen Menschenschinder gefoppt hat, derselbe ist, dem ich den rettenden Schoppen verdanke.« Mit einem Mal wurde er wieder ernst. »Gut, die Zeugin ist deine Sklavin, und du willst sie schützen, das ehrt dich. Aber die Sache ist heikel. Vielleicht ist es nur eine Auseinandersetzung unter ein paar Männern, aber vielleicht … Hat sie sonst noch etwas gesagt?«
Nachdenklich rieb Annius das Kinn, grübelte. »Nur dass einer gesagt habe, der Verräter habe mit einem kleinen Raubtier gesprochen. Ich vermute, dass es jemand ist, der einen Spitznamen -«
»Das Wiesel!« Caldus sprang auf.
Erschrocken starrte Annius den Tribun an.
»Segestes! Der andere cheruskische Fürst in unseren Diensten. Einige nennen ihn ›das Wiesel‹.« Caldus lief im Zelt hin und her wie ein gefangener Löwe in seinem Käfig. »Aber was …?«, murmelte er. »Segestes führte vor dem Abmarsch Klage, dass Arminius Meuterei und Aufstand plane. Er benannte sogar einen Zeugen, einen gewissen Secutus …« Abrupt blieb er stehen, drehte sich zu Annius um und starrte ihn an, als sähe er ihn gar nicht. »Dieser Secutus hatte sich nach einem Freigang nicht zurückgemeldet, das hatte ich gelesen … Alles passt zusammen …«
»Was bedeutet das?«
Caldus’ Blick verfinsterte sich. »Segestes hat die Wahrheit gesagt! Ich muss sofort zum Statthalter!«
Wie von Furien gehetzt stürzte er aus dem Zelt und ließ einen verdutzten Annius zurück.
Die Reiter hatten sich außerhalb des Lagers in Viererreihen aufgestellt und harrten der Befehle. Sie hatten sich nicht lange ausruhen können, nur die wenigen Stunden, die ihnen nach ihrem Eintreffen als Vorhut bis zum Beginn der ersten Nachtwache verblieben waren. Schon bei der gestrigen Abendbesprechung hatte Arminius darauf gedrängt, die Nachtstunden nutzen zu dürfen, um die verstreut stationierten Truppen möglichst zügig zu sammeln. So könne er in kürzerer Zeit die unruhigen Stammesteile in die Zange nehmen, damit sie sich nicht, wie es ihre Art sei, in die Wälder flüchteten, sobald Varus sich mit den Legionen näherte.
Vala strich seinem Pferd über den Mähnenkamm, während er über Arminius lächelte, den Günstling des Statthalters, der sich noch eifriger darum bemühte, seine Treue und
seinen Leistungswillen herauszustreichen, nachdem er von seinem Rivalen Segestes angeschwärzt worden war. Gerade ritt der Tribun die Reihen seiner Männer ab, zügelte gelegentlich seinen Braunen, um ein paar Worte zu sagen. Praefect Iulius Segimerus, der die zweite Ala führte, war bereits abgesprungen, um letzte Befehle entgegenzunehmen. Über den Hügeln im Süden versickerte das Licht, während die Reiter ihre Laternen entzündeten, eine für jede Reihe.
Endlich kehrte Arminius zum Lagertor zurück, schwang das Bein über den Hals seines Pferdes und glitt zu Boden.
»Die Männer sind bereit zum Aufbruch«, meldete er Vala, dann blickte er zum Himmel, unter dem dunkle Wolkenfetzen dahinzogen und die Sterne verschluckten und wieder freigaben. »Wenn das Wetter nicht umschlägt, werden wir die erste der vier Cohorten vor dem Morgengrauen
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