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Varus - Historischer Roman

Titel: Varus - Historischer Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iris Kammerer
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Fluss voller Strudel, die Einheiten hatten sich aufgelöst, Soldaten suchten unter denen, die im Lager Zuflucht gefunden hatten, nach ihren Frauen und Kindern. Das Kreischen und Klagen gellte in den Ohren.
    »Welche Furien aus den tiefsten Tiefen des Orcus haben die Wilden das gelehrt?«, stieß einer der Gefreiten hervor.
    Ceionius fuhr herum. »Wir!«, entgegnete er kalt. »Oder hast du vergessen, wie der Aufstand in der Pannonia niedergeschlagen wurde? Wie der letzte Aufstand hier in der Germania erstickt wurde?«
    Er verschwieg, was die Barbaren vermutlich mit den Gefangenen machen würden. Er hatte schon zu viele Gräuel gesehen, hatte in seiner Zeit als Centurio mehr als einmal Befehle weitergegeben, vor deren Ausführung ihn selbst geekelt hatte. Entschlossen verdrängte er die Erinnerungen, richtete seine Gedanken darauf, im Lager Ordnung zu schaffen, die Flüchtlinge unterzubringen und dankte den Göttern, dass er etwas tun konnte, was ihn ablenkte.
     
    Varus stand im verschwenderischen Licht der Öllampen vor der Kline, in den Händen Wachstafeln, die er überflog
und dann an den Volontarier weitergab. Verlustmeldungen, Schadenslisten. Der für die Auguren zuständige Verbindungsoffizier trat zu ihm, doch Varus gab ihm einen Wink, seine Nachricht abzulegen und sich zu entfernen. Der Statthalter hielt sich gerade, seine Miene war hart und kündete von Entschlossenheit.
    Während Ceionius den Statthalter aufmerksam beobachtete, machte sich Erleichterung in ihm breit. Das Zelt füllte sich mit den hohen Offizieren und ihren Schreibern. Unter ihnen erkannte er den Tribun Caldus, der von einem der Stabsgefreiten begleitet wurde. Der Mann, der ebenso unrasiert war wie die anderen Gefreiten, hielt sich hinter Caldus und nagte gedankenverloren an den Fingernägeln.
    »Wir können hier nicht bleiben«, begann Varus ohne lange Vorrede. »Dieser Lagerplatz bietet keinen ausreichenden Schutz. Der Rückweg ist versperrt, weil die Feinde bei den Hohlwegen im Hinterhalt liegen, also bleibt uns nur der Weg entlang der Moore. Um schnell voranzukommen, werden wir uns allen Gepäcks entledigen müssen, das wir entbehren können. Das bedeutet, wir werden die Reste des Trosses vernichten und zurücklassen, da die Wege schlammig sind und die Wagen ständig stecken bleiben würden. Um dieser Bedrängnis zu entkommen, müssen wir morgen mehr als einen Tagesmarsch hinter uns bringen.«
    »Sollten wir nicht die offene Feldschlacht suchen?«, wandte Marcus Caelius ein.
    »Nichts lieber als das! Doch dieser Feind weiß, dass das seine Schwäche ist. Und wir finden innerhalb eines Tagesmarsches kein Gelände, das sich dazu eignet. Wir müssen diese unselige Region erst verlassen haben, ehe wir überhaupt an eine Schlacht denken können. Aber glaubt mir, ich brenne ebenso sehr auf Vergeltung wie ihr, und ich werde
die erste Gelegenheit, die sich mir bietet, nutzen, um die Verräter und Aufrührer der angemessenen Strafe zuzuführen. Dazu werde ich das gesamte mir zu Gebote stehende Heer sammeln, auch die übers Land verteilten Einheiten, und diesen Aufstand niederschlagen, ganz gleich, wer ihn angezettelt hat! Wenn nicht in diesem Herbst, dann gleich nach dem Winter!« Er schüttelte die geballte Faust. »Wir lassen uns nicht vertreiben! Wir werden uns vorerst in den Standlagern entlang der Lupia festsetzen und unsere Kräfte erneuern, bis unsere Stunde gekommen ist.«
    Ceionius hob die Hand, erhielt das Wort und trat vor. »Ein solcher Gewaltmarsch wird die Männer entkräften, zumal sie in dieser Nacht kaum genug schlafen werden. Wir haben nicht ausreichend Zelte retten können, und ob die Aufständischen Ruhe geben werden -«
    »Wir haben keine andere Wahl!«, unterbrach Varus ihn. »Hierzubleiben würde uns zu einer leichten Beute machen.«
    Ceionius’ Blick streifte den hinter Caldus stehenden Gefreiten, der wie erstarrt schien, während in seinen Augen jene dunkle Glut flackerte, die einen Mann blindwütig handeln ließ und ihn tiefer und tiefer in ein Geflecht aus Hass und Ekel verstrickte. Die Philosophen hatten recht. Das Böse geschah in der Finsternis des Herzens, wenn kein Licht hineingelangte, weil das Auge sich vom Licht abgewandt hatte. Weil ihm etwas geraubt worden war, das Licht hineintrug. Ansehen. Eine Frau. Kinder.
    Ceionius erhob nochmals die Stimme. »Wenn wir mit den verbliebenen Geschützen die Feinde zurückdrängen, um uns mit Holz zu versorgen, sollte es gelingen, das Lager stärker zu befestigen, um

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