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Varus - Historischer Roman

Titel: Varus - Historischer Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iris Kammerer
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er mit einer Hand das Band auf und zog ihn vom Kopf, ließ ihn zu Boden fallen. Seine Hände glitten über ihre Arme hinauf, legten sich um ihre Wangen, hoben ihr Gesicht, dass er sie ansehen konnte.
    »Sag mir deinen Namen!«
    Ihre Augen weiteten sich vor Erstaunen, das erkannte er, obwohl er kaum mehr als ein Glitzern im fernen Fackelschein sah.
    »Rufilla«, flüsterte sie.
    Er schüttelte den Kopf. »Deinen Namen! Den Namen, den dir deine Eltern gaben!«
    Sie rührte sich nicht. Ganz still war sie, im Dunkeln ahnte er, dass sich ihre Lippen bewegten, und verspürte den leisen Wunsch, mit den Daumen ganz sacht darüberzustreichen. Ihr Atem flog über sein Kinn. Er widerstand dem Drang, seinen Mund auf ihren zu drücken; er würde ihr wehtun, unrasiert wie er war.
    »Thiudgif«, flüsterte sie.
    Unsicher schob er die Zunge zwischen die Zähne, zögerte. »Bitte … Sag es noch mal.«
    »Thiudgif.«
    Er versuchte es, merkte, dass er über die Laute stolperte wie ein Wild über eine Fangschlinge. Sie barg das Gesicht in den Händen, kicherte leise. Dann schmiegte sie ihre Wange
an seine und flüsterte ihm das fremde Wort ein, als träufelte sie etwas in seine Brust, das ihn vergessen ließ, dass sie nicht allein waren.
    »Es tut mir leid, ich habe alles falsch gemacht«, murmelte er.
    »Du hast nichts falsch gemacht. Die Götter wollen es so. Wir können nur versuchen, es auszuhalten.«
    Verwirrt schob er sie von sich. »Das glaubst du?«
    »Was soll ich sonst glauben? Es ist das, was geschieht.«
    »Das, was hier geschieht, Thiudgif, ist ein heimtückischer Anschlag. Meuterei, Verrat und Aufruhr! Das haben Menschen ausgeheckt, nicht Götter!«
    »Aber mit dem Willen der Götter! Mit ihrer Hilfe!«
    Durch die Nacht tönte ein dumpfes Poltern und Rumpeln, als mühte sich ein schwerer Tross durch den Wald. Annius drehte sich zu Venicius und Blaesus um, die angestrengt ins Dunkel spähten und nur die Achseln zuckten. Da draußen braute sich neues Unheil zusammen. Das Mädchen kauerte sich hin und zog den Kopf ein.
    »Oder mit der Hilfe böser Geister aus den tiefsten Tiefen der Unterwelt«, knurrte Annius. »Aber auch die tun nichts anstelle von Menschen, sie treiben sie nur an. Handeln müssen wir selbst. Jetzt lauf hinunter und such Deckung!«
    »Aber was können wir denn tun?«, beharrte sie.
    Ihre Augen funkelten so eindringlich, so verzweifelt in der Dunkelheit, dass er sie ungestüm an sich zog. »Wir haben eine Aufgabe zu erfüllen, Thiudgif. Ich bin Soldat, ich muss diesen Kampf führen, bis wir in einem sicheren Lager sind. Ich muss meinen Kameraden beistehen, den Feind abwehren, in die Knie zwingen. Und deine Aufgabe ist es, zu deinem Vater zurückzukehren. Auch ohne meine Hilfe, wenn … wenn mir etwas zustößt. Nun geh! Bitte!«

    »Aber wie soll ich nach Hause finden?«, rief sie.
    »Mit Mut und Hartnäckigkeit, mit Klugheit und wachen Sinnen, mit -«
    Ein vielfacher, scharfer Knall ließ ihn verstummen.
    »Katapulte!«, stieß Blaesus hervor und duckte sich.
    Annius packte einen der Schilde, zerrte ihn schnell über sich und Thiudgif. Er schickte ein stummes Stoßgebet gen Himmel, zu den Geistern seiner Ahnen, drückte das Mädchen an sich, als das Poltern begann. Etwas schlug auf den Schild, rollte neben sie. Das waren keine Steine.
    Vorsichtig spähte Annius nach dem Ding, obwohl noch immer Geschosse durch die Luft sausten, sonderbar dumpf auf den Boden prallten, wie Holzstücke oder …
    Ihm stockte der Atem, sein Herz schien einen Satz zu machen. Dicht neben ihnen lag eine schmutzige, blutige Hand. Er umfasste Thiudgifs Hinterkopf, presste sie an sich.
    »Was siehst du?« Ihre Stimme war undeutlich, sie stemmte sich gegen ihn.
    »Nichts«, flüsterte er. »Dreh dich nicht um!«
    Einer seiner Kameraden heulte auf, es war Maro. Kampfgeräusche und ein fast tierisches Keuchen verrieten, dass die beiden anderen ihn gewaltsam festhalten mussten. Annius tastete nach seinem Helm. Aus dem Lager tönte gellendes Kreischen herauf, wütendes Gebrüll, Menschen rannten wild durcheinander, während eine weitere Salve herabprasselte. Stumm verwünschte Annius die Mörder, forderte Iupiters Zorn auf sie herab für diesen scheußlichen Frevel, während sein Herz hart gegen die Rippen schlug.
    Endlich ließ der Beschuss nach, stattdessen erhob sich am Waldrand triumphierendes Grölen und Waffengeklapper. Die Bogenschützen drängten den Hang herauf, und wenig später pfiffen Hunderte von Pfeilen durch die Luft,

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