Vater. Mörder. Kind: Roman (German Edition)
dich schnell und legst dich wieder hin.«
Als du sie unter den Achseln fasst, um ihr aufzuhelfen, macht sie sich steif und hustet. Du ziehst ihr die Schuhe aus und willst ihr die Hose abstreifen. Die scheint an der Haut festzukleben, die Beine sind schwer.
Elisa nuschelt etwas von »Krankenhaus«, aber du sagst, nein, das sei nun wirklich nicht nötig. Außerdem sei Caterina wieder da, die könntet ihr ja nicht einfach allein lassen. Elisa lässt sich von dir ins Bad bringen, ihr schaut nach, ob irgendetwas behandelt werden muss, du beruhigst sie, morgen früh sei alles wieder gut. Deine Frau atmet tief ein, als wollte sie unter Wasser tauchen, aber dann reicht die Luft gerade mal für ein Flüstern: »Bring mich ins Krankenhaus.«
Nein, du kannst sie nicht ins Krankenhaus bringen. Auch für sie wäre das gar nicht schön. Die würden ihr eine Menge Fragen stellen, und sie müsste einiges erklären. Das könnte sehr unangenehm für euch werden.
»Ich verliere das Bewusstsein.«
»Das kann nicht sein. Ich habe dir nichts getan. Das ist nur, weil du liegst. Du musst aufstehen. Komm schon!«
Deine Frau bewegt kaum merklich den Kopf. Das soll wohl Nein heißen.
»Es tut so weh.«
»Wo?«
Sie zeigt auf eine Stelle zwischen Brustkorb und Hüfte und stößt ein lang gezogenes Gurgeln aus, das du erst nach einem Augenblick als deinen Namen identifizierst.
»Jetzt übertreibst du aber. Ich habe dir nichts getan.«
Im Halbdunkel greifen zwei eiskalte Hände nach deinen Armen.
»Was soll das heißen …«, flüstert eine Stimme.
Elisas Augen sehen in der Dunkelheit ganz weiß aus, nur weiß, sonst nichts.
Das sind nicht Elisas Hände. Das können nicht Elisas Augen sein. Und es ist nicht Elisas Stimme, die flüstert: »Nichts getan? Schämst du dich nicht?«
Es sind die Hände, die Augen und die Stimme der Todesdämonin. Sie will dich mitnehmen ins Reich der Finsternis.
»Ich habe dir nichts getan«, du weichst vom Bett zurück, schaffst es, nicht zu schreien. Dann schließt du die Schlafzimmertür von außen ab, vergewisserst dich, dass das Schloss fest sitzt, und steckst den Schlüssel ein.
Zum Glück war der Nachmittag mit Onkel und Tante so anstrengend, dass Caterina gleich auf dem Sofa eingeschlafen ist. Du hast nicht vor, sie fürs Zähneputzen wieder zu wecken, im Gegenteil. Du trägst sie angezogen ins Bett und deckst sie einfach nur zu. Dann setzt du dich vor ihr Bett, im gelben Lichtschein des Engels auf ihrem Nachttisch. Du schaust deiner Tochter zu, wie sie sich hin und her wälzt, um nicht selbst in den Schlaf zu sinken.
Zwei schwarze Flügel kriechen die Wand hoch. Bis unter die Decke. Dieser unheimliche Schatten über dem Bett deiner Tochter ist dir noch nie aufgefallen. Der Schatten des Engels.
Wie kommen die Flügel der Todesdämonin über das Bett deiner Tochter?
Du musst nachdenken. Du gehst hinaus in den Garten, betrittst die Garage, wirfst den Schraubenzieher ins Waschbecken, drehst den Wasserhahn auf, gehst zurück ins Haus, holst das Telefon und nimmst es mit in den Keller.
Du wählst die Nummer und hörst die Stimme eines Anrufbeantworters. Die Firma ErreEmme in Cusano Milanino fordert dich auf, eine Nachricht zu hinterlassen. Das tust du gern.
»Hier ist Furio Guerri, aus Torre del Poggio, Provinz Pisa. Vor drei Wochen habe ich bei Ihnen ein Paar runde Seitenspiegel aus Aluminium bestellt …«
Du sagst die Bestellnummer aus dem Gedächtnis auf, berichtest, dass da ein Fehler unterlaufen sei, und bittest freundlich um baldigen Rückruf. Dann beendest du den Anruf und wartest neben dem Telefon.
Mindestens eine halbe Stunde sitzt du so da, dann greifst du zum Hörer und wählst erneut.
»Hier ist Furio Guerri, ich hatte schon einmal angerufen. Ich warte immer noch auf eine Antwort bezüglich der runden Seitenspiegel für meinen Spider, Baujahr 1970.«
Du erklärst, dass du in drei Tagen Besuch von den Gutachtern bekommst und mit den falschen Spiegeln keine Chance auf die goldene Oldtimer-Plakette hättest. Du bittest dringend um Rückruf. Ganz freundlich .
Dann gehst du wieder nach oben. Elisa hat endlich aufgehört zu jammern. Der Geist mit den eisigen Händen ist aus eurem Schlafzimmer verschwunden.
Du streichelst ihre Stirn. Sie ist feucht, deine Finger fühlen kalten Schweiß.
Mit einem der Papiertaschentücher, die sie immer auf dem Nachttisch liegen hat, tupfst du ihr die Stirn ab, dann holst du die Wolldecke aus dem Schrank und breitest sie über Elisa aus. Du murmelst,
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