Vater. Mörder. Kind: Roman (German Edition)
ist wirklich ein Arschloch«, sage ich.
»Woher weißt du, dass sie bei ihrem Onkel lebt?«
»Du hast es neulich mal erwähnt.«
»Und das hast du dir gemerkt?« Laura lächelt. »Du hörst mir ja wirklich zu!«
»Klar.«
»Es stand sogar in der Zeitung. Ich weiß nicht viel darüber, damals habe ich noch in Padua unterrichtet. Meine Kolleginnen sagen, sie sei sehr hübsch gewesen, groß und mit langen Locken. Er war wohl ein korrekter, ernster Typ mit einem guten Job. Sie hatten diese kleine Tochter und ein Häuschen im Grünen. Ein Traumpaar, eine Familie wie aus der Werbung. Bis er sie eines schönen Tages zu Tode prügelte.«
Ich seufze, betrachte die großen weißen Propeller. Damals, als ich die Schnellstraße täglich fuhr, gab es die Windräder noch nicht.
»Man weiß nie, was die Leute in ihren vier Wänden treiben«, sage ich.
Lauras Blick löst sich einen Moment von der Straße. Ich strecke eine Hand nach dem Lenkrad aus und schalte die Scheinwerfer ein. Ich lächle ihr zu. Sie beugt sich zu mir herüber, wir küssen uns.
»Ich war auch mal mit einem Mann zusammen, der zugeschlagen hat. Einmal, im Urlaub an der Costa Brava, hat er mich so kräftig geohrfeigt, dass mein Trommelfell was abgekriegt hat.«
»So ein Mistkerl«, solidarisiere ich mich sofort mit ihr.
»Und weißt du, was das Komischste ist?«
Weiß ich nicht. Ich weiß nur, dass ich lieber über etwas anderes reden würde.
»Dass ich alles nur auf das Wasser geschoben habe.«
»Das Wasser?«
»Ja, ich hatte Wasser ins Ohr bekommen. Das Erste, was ich dachte, war: So doll war die Ohrfeige nun auch wieder nicht. Wenn ich kein Wasser im Ohr gehabt hätte, wäre gar nichts passiert.«
»Im Ernst?«
»Ja, stell dir das mal vor! Er versprach mir jedes Mal, es nicht mehr zu tun, wenn ich alles richtig machte, und ich habe ihm geglaubt. O Mann, ich hatte eine solche Angst, dass ich ihm das einfach glauben musste, sonst hätte ich es keinen Tag länger ausgehalten. Das ist ein Tod auf Raten. Dieses ewige Herunterspielen ist glatter Selbstmord.«
»An der nächsten Ausfahrt müssen wir raus«, sage ich.
»Hätte meine Freundin mir nach diesem schrecklichen Urlaub an der Costa Brava nicht die Augen geöffnet …«
Laura ist richtig in Plauderstimmung. Als wäre es pure Absicht. Mir bleibt nichts anderes übrig, als Interesse zu heucheln, um keinen Verdacht zu erregen. Ich äußere mich allerdings nicht dazu und streichle ihr nur die Hand. Auch hinter uns, wo das Meer liegt, ist es inzwischen Abend geworden.
»Ich würde heute noch mit dem Bügeleisen in der Hand in der winzigen Abstellkammer zwischen Putzmitteln und Besen hocken, während er von außen gegen die Tür schlägt: ›Komm raus, ich tu dir nichts. Wenn du nicht rauskommst, werde ich wirklich sauer.‹ Immer wieder endlose Verhandlungen, und ich rechnete jeden Moment damit, dass er die Tür einschlägt.«
»Hat er getrunken?«
»Nein. Gekokst. Nur ab und zu, weil er nachts gearbeitet hat und das nicht ohne ging. Wenigstens hat er das behauptet.«
»Blödsinn.«
»Klar. Er hat auch damit gedealt. Heute weiß ich das, aber damals habe ich ihm geglaubt. Irgendwann habe ich ihn dann angezeigt, und danach wurde alles nur noch schlimmer. Er bekam eine Vorladung ins Präsidium, die Beamten redeten ihm ins Gewissen, aber nachher stand ich wieder allein mit ihm da. Richtig bösartig wurde er. Ich musste aufpassen, wohin ich gehe und dass ich nicht allein nach Hause komme. Wenn er mich in einer Kneipe oder so erwischt hätte, wäre er imstande gewesen, mir vor allen eine Riesenszene zu machen. Außerdem rief er pausenlos bei mir an und stopfte meinen Briefkasten mit Nachrichten voll.«
»Und wie ist die Sache ausgegangen?«
»Er hat eine andere kennengelernt und völlig den Kopf verloren. Eine Südamerikanerin. Sechs Monate später ist er nach Brasilien abgehauen. Seitdem habe ich ihn nicht mehr gesehen. Wenn er weiterhin Zeug vertickt hat, besteht Anlass zur Hoffnung, dass er mit einer Kugel im Kopf auf dem Grund irgendeines Tümpels liegt.«
»Das ist doch Mist, Laura.«
»Wieso ist das Mist? Auf so einen kann die Welt gut verzichten.«
»Dann bist du aber kein Stück besser.«
»Als wer?«
»Als Caterinas Onkel. Was willst du denn mit einem wie Caterinas Vater machen, willst du ihn töten?«
»Na ja, ich hätte nichts dagegen, wenn ihn einer aus dem Verkehr zieht. Der würde das doch glatt wieder tun.«
»Woher willst du das wissen?«
»Was ist das denn für ein
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