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Vater. Mörder. Kind: Roman (German Edition)

Vater. Mörder. Kind: Roman (German Edition)

Titel: Vater. Mörder. Kind: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Giampaolo Simi
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machst, fährst du noch kurz in der Firma vorbei und lieferst in der Abteilung Bildbearbeitung die Originale ab, damit sie gescannt werden können.
    »Das ist ein neuer Kunde, passt bloß mit dem Format auf«, sagst du. »Ich will mich nicht schon beim ersten Auftrag streiten. Sind die Monitore korrekt kalibriert?«
    Du läufst Loretta der Betonmischmaschine über den Weg. Etwas in ihrem Blick sagt dir, dass du nicht so tadellos aussiehst wie sonst. Du rückst deinen Krawattenknoten zurecht und wirfst einen prüfenden Blick auf deine Schuhe. In dem Moment hörst du ein Auto auf den Firmenparkplatz fahren.
    Den Klang eines nicht vertrauten Motors erkennt man sofort, außerdem hat es viel zu kräftig gebremst.
    Die Gesichtsfarbe der Sekretärin erinnert an Recyclingpapier. Aggradi junior hingegen scheint schon deswegen erleichtert, weil die Männer nicht vom Finanzamt kommen.
    Sie sind von der Polizei, und sie würden gern mit dir reden. Der Inspektor hat ungefähr dein Alter und trägt nach hinten gekämmte Haare, einen Ohrring und eine mit militärischen Emblemen bestickte Bomberjacke. Nach kurzem Zögern schüttelt er dir die Hand.
    Du zeigst auf die Tür zu deinem Büro. Doch er antwortet: »Nein, Sie kommen besser gleich mit, Signor Guerri. Wir fahren zu Ihnen nach Hause.«
    Dass du keine Fragen stellst, erfüllt alle mit einem Unbehagen, das lästiger ist als Juckreiz. Sogar Aggradi junior.
    Du schließt deine Bürotür, hast bereits die Schlüssel für deinen Spider in der Hand und sagst: »Ich folge Ihnen.«
    »Nein«, sagt der Inspektor. »Sie fahren bei uns mit.«
    Die ganze Sache gefällt dir nicht, obwohl dir noch nicht klar ist, warum. Aber es wird wohl das erste und letzte Mal sein, dass du Ärger mit der Polizei hast.
    Auf den Stufen vor deiner lackierten Haustür, neben den Terrakottakübeln mit Lavendel und Rosmarin, sitzt der Mitarbeiter der Sicherheitsfirma und reibt sich den Kiefer. Du erfährst, dass deine Frau Opfer eines sehr gewalttätigen Angriffs wurde und mit dem Notarztwagen ins Krankenhaus gebracht werden musste. Ihr Zustand ist kritisch, aber sie tun alles, um sie zu retten.
    Du bist wie gelähmt. Die Nachricht springt dir an die Kehle wie ein wild gewordener Hund, gegen den du dich nicht wehren kannst.
    Der Inspektor zeigt auf euer Schlafzimmerfenster. Beide Flügel stehen offen, von der Fensterbank ergießt sich ein lang gezogenes violettes Dreieck über die beige Fassade wie ein ausgefranstes Trauertuch.
    »Ist das Blut?«, frage ich.
    »Ja.«
    »Was ist denn passiert?«
    »Erst möchte ich von Ihnen wissen, warum Sie den Alarm eingeschaltet haben, obwohl Ihre Frau zu Hause war.«
    »Ich wollte nicht, dass sie weggeht.«
    Du möchtest sofort ins Krankenhaus und danach die Kleine abholen, aber sie bitten dich zu bleiben, vorerst . Sie haben ein paar Fragen an dich. Du willst das nicht unter den Augen der ganzen Nachbarschaft klären und führst den Inspektor in die Garage. Denn er ist nun dein Gesprächspartner. Den richtigen Gesprächspartner zu identifizieren, ist für einen Vertreter von existenzieller Bedeutung.
    Deine Garage ist leer. Ohne den Spider ist sie nur vollgestopft mit altem Zeug, das du nicht wegwerfen wolltest. Ein von einem herabstürzenden Ast zerrissenes Verdeck, ein Bakelitlenkrad, verschiedene Auspuffe. Und diese ekelhaften schwarzen Seitenspiegel.
    Der Inspektor schaut ins Waschbecken und bemerkt den Schraubenzieher. Er beugt sich darüber, um ihn sich genauer anzusehen, beide Hände in den Taschen vergraben, als wolle er der Versuchung widerstehen, ihn anzufassen.
    »Möchten Sie mir nicht erzählen, was passiert ist, Guerri?«
    Würdest du ja gern, gibst du zurück. Das Problem ist nur, du weißt es nicht mehr.
    Als sie dich auffordern, mit ihnen aufs Präsidium zu fahren, bittest du nur darum, die Schuhe wechseln zu dürfen. Denn die Schuhe, die du trägst, kommen dir auf einmal sehr schmutzig vor.
    »Für einen Vertreter machen die Schuhe dreißig Prozent der Arbeit aus, wissen Sie?«
    Er scheint einverstanden, kratzt sich an der Nase, lehnt sich gegen den Türrahmen.
    »Weitere dreißig Prozent sind das Lächeln. Man muss immer lächeln«, fährst du fort und beweist damit noch in einer Ausnahmesituation wie dieser, dass du nicht zufällig Vertreter geworden bist.
    »Und noch mal dreißig Prozent sind die Fähigkeit, Beziehungen zu knüpfen«, erklärst du, während du überlegst, welche Schuhe du anziehen sollst. Mokassins aus Lackleder, Leinenschuhe,

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