Vater Unser in der Hölle: Durch Missbrauch in einer satanistischen Sekte zerbrach Angelas Seele (German Edition)
spurte, wenn er anrief. Große Kohle war zwar nicht mit ihr zu machen, denn sie stand ihm nicht täglich zur Verfügung, aber dafür tat sie alles, was man wollte. Und weder verlangte noch bekam sie irgendeine Bezahlung.
Ein bisschen komisch fand er die Rahmenbedingungen schon, aber er hatte sich angewöhnt, bei Frauen mit ihrem Hintergrund nicht groß nachzufragen. Er hatte den kurzen Computerausdruck mit den Codesätzen, die er zu ihr sagen musste, überflogen und eingesteckt, als er sie übernahm, damals in Frankfurt. Sie war nicht die Erste, die er zusammen mit einer Gebrauchsanweisung bekommen hatte. Alle funktionierten problemlos. Keinerlei Grund zur Beschwerde.
Seinen Teil des Deals – unauffällige Überwachung, zuverlässige Kontrollen, absolute Verschwiegenheit und regelmäßige Berichterstattung an die Gruppe – hielt er gewissenhaft ein.
Bezahlt hatte er mit zwei neugeborenen Jungen. Kleinen gelben Jungs. Zwei seiner Thai-Mädchen waren damals schwanger angekommen. Ein langjähriger Kunde, der Arzt war, hatte die Entbindung abgewickelt. Kein Grund, die Kinder anzumelden, sie würden sie sowieso nicht behalten können. Lenkte nur von der Arbeit ab. Gut, dass jemand sie ihm abnahm. Über ihren Verbleib dachte er nicht nach. So viel war ihm klar: Je kleiner die Kinder waren, desto mehr konnte die Gruppe, mit der er diese Deals machte, offenbar mit ihnen anfangen.
Waren die Mädchen erst einmal halbwegs erwachsen, gab die Gruppe sie wieder ab. Vielleicht würden die, die er lieferte, eines Tages auch wieder dabei sein, zu ihm zurückkommen sozusagen, ohne dass er für die Erziehung aufkommen müsste. Eigentlich ganz praktisch. Die meisten, die er kriegte, waren gerade sechzehn. Allerdings: Ausländische, gelbe, schwarze oder braune waren nie darunter. Komisch, dabei waren doch die meisten, die er lieferte, farbig.
Na, auch egal.
Demnächst würde er wieder so ein Geschäft abwickeln. Viele von seinen bosnischen Muslim-Frauen waren schwanger ins Land geschleust worden, die ersten waren demnächst fällig. Gut, dass man wusste, wohin damit.
Außer derartigen Transaktionen und kurzen Kontakten über ständig wechselnde Telefonnummern hatte er mit der Gruppe, von der er die Kleine übernommen hatte, nichts zu tun.
War ihm auch recht so.
Die Sache im Wald damals hatte ihm gereicht.
Er jedenfalls wollte nicht lebendig begraben werden.
THERAPIE
Nina und Elisabeth
Das Herbstlaub nach diesem trockenen Sommer begann früh von den Bäumen zu fallen. Es raschelte unter den Schuhen der beiden Frauen, die versonnen durch den lichten Wald wanderten. Sonnabend, später Vormittag, die Wege fast leer, eine angenehme Zeit zum Spazierengehen, fand Nina Temberg. Ein bisschen spät zwar für ihren Geschmack, denn Nina war Frühaufsteherin. Aber ihre Kollegin und Freundin Elisabeth Gebhard, die schweigend neben ihr herstapfte, empfand die frühen Stunden das Tages als ein wahres Morgengrauen. Elf Uhr war der Kompromiss, den sie vor längerer Zeit erarbeitet hatten. Einer von vielen Kompromissen, die eine langjährige Freundschaft mit sich bringt.
Ein oder zwei Stunden waren sie jeden zweiten Sonnabend in dieser Einsamkeit unterwegs. Eine Gewohnheit, fast ein Ritual, das jeder von ihnen fehlte, wenn einmal etwas dazwischenkam. Beide arbeiteten in freier Praxis als Psychotherapeutinnen. Die Spaziergänge im Wald waren ein entspannender Ausgleich. Manchmal diskutierten sie die Entwicklungen ihrer Klientinnen. Holten sich eine zweite Meinung über den Therapieverlauf bei einer Kollegin, der sie wirklich vertrauten.
Oft schwiegen sie. Wie heute.
Manchmal pfiff Elisabeth nach ihrer Hündin Charly, die sich im Laub aalte und wie ein Pflug Schneisen durch das Unterholz zog. Das Herbstlaub schien den buntscheckigen Mischling aus dem Tierheim regelrecht high zu machen.
»Bulldogge und Schäferhund«, hatte Elisabeth analysiert, damals vor fünf Jahren, als sie die mächtige Hündin durch das Drahtgitter des Zwingers angeschaut hatten. »Und ein bisschen Pitbull«, hatte Nina ergänzt. Es war ein Risiko gewesen, aber Elisabeth bereute den Entschluss, die Hündin zu sich zu nehmen, niemals. Von Anfang an betrachtete Charly Elisabeth, Nina und deren Familien als ihre eigene Meute, entschlossen, sie zu verteidigen bis zum letzten Zahn – von denen sie allerdings nicht mehr allzu viele besaß.
So wie sie die Hündin ausgesucht hatten, taten Elisabeth und Nina vieles gemeinsam. Sie kannten sich lange und gut. Sie hatten
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