Vater Unser in der Hölle: Durch Missbrauch in einer satanistischen Sekte zerbrach Angelas Seele (German Edition)
die Zeit flog! Gleich mussten Wolfgang und Christian nach Hause kommen. Sie hatten sicher einen Bärenhunger von der frischen Luft und vom Fußballspielen.
Sie ging in die Küche, holte Geschirr und Bestecke aus dem Schrank, deckte den Küchentisch. Sie stellte eine große Schale Frikadellen dazu, die sie mittags vorbereitet hatte, aus dem Gemüsefach holte sie Salate, Tomaten, Gurken, Äpfel und Avocados. Schnell und routiniert säuberte sie alles, schnippelte es klein, streute gehackte Nüsse darüber und mischte eine Salatsauce. Zum Schluss schälte sie einige hartgekochte Eier, schnitt sieflink in Scheiben und dekorierte sie um den Salat. Dann noch Servietten auf die Teller, Teewasser aufgesetzt, die Arbeitsflächen saubergewischt. Fertig.
Angela war eine schnelle und gute Hausfrau. Sie achtete auf die Gesundheit ihrer Familie, wenig Fett, frisches Obst, möglichst viele Vitamine. Und hübsch sah das Ganze auch noch aus. Hausarbeit machte ihr zwar keinen besonderen Spaß, aber darum ging es auch nicht. Hausarbeit war ihre Aufgabe, und ihre Aufgabe erfüllte sie eben gut. Solange sie nichts anderes machen durfte als zu Hause sitzen, nichts anderes tun konnte als warten, dass die Familie nach Hause kam, so lange konnte sie in diesem Job auch gut sein. Das hatte sie beschlossen.
Fast jeden Sonntag gab es daher selbstgebackenen Kuchen, meist etwas möglichst Kompliziertes, Donauwellen etwa oder Quarkkuchen oder Hefegebäck, am liebsten etwas mit drei verschiedenen Böden, bei dem die Gefahr bestand, dass es zusammenfiel, am Tortenboden klebte oder nicht aufgehen wollte. Aber nicht bei ihr.
Was jetzt?
Der Wohnzimmerteppich musste mal wieder gesaugt werden. Sie holte den Staubsauger aus der Kammer, entrollte das Kabel, das ordentlich auf einem Haken hing, und begann zu saugen. Genauso wichtig wie die Zubereitung der Mahlzeiten war ihr die Ordnung ihres Haushalts. Ihre Ordnungsliebe hatte manchmal etwas fast Zwanghaftes. Besonders in Stresszeiten wirkte ihr energisches Bemühen um saubere Fenster, eine blitzende Spüle, geputzte Schuhe und aufgeräumte Schränke fast manisch. Außerdem belastete es sie sehr.
»Nun lass doch«, sagte ihr Mann oft, »muss doch nicht sein. Warum gerade jetzt?«
Was wusste er denn davon?
Eigentlich war sie mit dem Ergebnis ihrer Bemühungen nie zufrieden. Alles hätte immer noch perfekter sein können. Besonders das Chaos der Kinderzimmer war ihr ein Dorn im Auge.Aber da hielt sie sich raus – so gut sie eben konnte, Erziehung war nicht ihre Aufgabe.
Energisch rückte sie den Teppichfransen zu Leibe. Wie die wieder aussahen, morgens gesaugt, aber jetzt schon wieder kreuz und quer, nie ordentlich, wie es sich gehörte.
Hatte das Telefon geklingelt?
Sie stellte den Staubsauger ab, horchte. Ja. Sie ging auf den Flur, nahm den Hörer ab.
»Ja, bitte?«
»Moira, Moira, du gehörst uns«, sagte eine Männerstimme.
»Ja, bitte?«
»Wer ist da?«, fragte die Männerstimme.
»Hier ist Moira.«
»Moira, pass genau auf: Am Montag, den 13. September, abends direkt nach der Therapie, fährst du zum Hauptbahnhof. Hast du das verstanden?«
»Am Montag, den 13. September, abends direkt nach der Therapie, fahre ich zum Hauptbahnhof.«
»Du bist dafür verantwortlich, dass alles klappt.«
»Ja.«
»Du hältst den Mund.«
»Ich halte den Mund.«
»Du vergisst sofort, dass wir telefoniert haben.«
»Ich vergesse sofort, dass wir telefoniert haben.«
Es knackte im Hörer, dann war die Leitung tot.
Angela horchte in den Hörer hinein. Es hatte geklingelt, aber niemand hatte sich gemeldet. Das passierte heute nun schon zum zweiten Mal. Komisch. Aber vielleicht lag es auch an dem starken Regen während der letzten beiden Tage. Da konnte es leicht falsche Kontakte und Verbindungen geben, hatte Wolfgang ihr mal erklärt.
Sie packte den Staubsauger zusammen und räumte ihn wieder ordentlich in die Kammer zurück.
»Klappt ja immer noch prima mit der Kleinen«, dachte der Mann, steckte den Hörer seines Autotelefons wieder in die Halterung, griff sich ans rechte Ohr und kratzte. Er trug einen Ohrring mit einer goldenen Perle. An Regentagen juckte ihn das Ding immer. Er trug es aus purer Sentimentalität, hatte es sich vor 15 Jahren gekauft, vom allerersten angeschafften Geld seines allerersten Pferdchens.
Für die Kleine, mit der er gerade telefoniert hatte, hatte er zwei Kunden, die lieber was Bürgerliches wollten und keine Lust hatten auf Bordellbetrieb. Praktisch, dass sie sofort
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