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Vater Unser in der Hölle: Durch Missbrauch in einer satanistischen Sekte zerbrach Angelas Seele (German Edition)

Vater Unser in der Hölle: Durch Missbrauch in einer satanistischen Sekte zerbrach Angelas Seele (German Edition)

Titel: Vater Unser in der Hölle: Durch Missbrauch in einer satanistischen Sekte zerbrach Angelas Seele (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulla Fröhling
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freundlich. Sie guckt warm und lieb. Wirklich lieb. Bis tief innen. Nicht so wie die Mutter, die auch lieb gucken konnte. Aber nur wenn andere Leute dabei waren oder der Vater sie fotografierte.
    Vielleicht, wenn sie ihr alles sagte? Vielleicht konnte sie helfen.
    Ja, das würde sie tun.
    Mit Fräulein Keller sprechen. Heute würde sie es ihr sagen.
    Sie hatte doch selbst vom Sagen gesprochen. Das hatte sie genau gehört. Auch wenn die anderen immer dazwischengeredet hatten. Das Wort hatte sie genau verstanden. Fräulein Keller wollte, dass sie es sage. Sage, immer wieder sage, hatte es geheißen. Nach der Stunde, wenn sie die Hausarbeiten aufgeschrieben hatten, dann wollte sie mit ihr reden.

    Du darfst niemals reden.
    Hoffentlich kriegte sie das Ende der Stunde noch mit. Manchmal verging die Zeit so schnell, plötzlich war Abend, und sie hatte alles versäumt. Sie musste sich konzentrieren. Sich anstrengen.
    »Also«, drang Evelyn Kellers Stimme wieder zu ihr durch, »wenn du sie finden solltest, so brauchst du nur eine Flagge aufzurichten und zu sagen: ›Ich erkläre diese kleine verlorene Insel für mein Eigentum.‹ Dann gehört sie dir für alle Zeiten: eine Palme, weiche Sanddünen, singende Vögel, dichtes Gebüsch, ein Affe, ein Seeräuberschatz, alles.«
    Evelyn klappte das Buch zu. Es war ihr eigenes und sah schon gut gelesen aus. Sie schaute auf und beobachtete, wie die Kinderallmählich wieder merkten, dass sie in der Schule waren. Fünfzehn Minuten noch plauderte sie mit ihnen über die Geschichte. Dann ließ sie sich die Pläne fürs Wochenende erzählen. Die meisten meldeten sich aufgeregt, und Klaus, wie immer erbost, wenn er nicht sofort drankam, sprang auf und brüllte aus der letzten Reihe: »Und ich und ich und ich!« Es hatte überhaupt nichts genützt, dass sie ihn in die letzte Reihe gesetzt hatte, dachte Evelyn. Manchmal lief er einfach nach vorn, wenn er sich benachteiligt fühlte.
    Und das war oft.
    Angela schwieg.
    »So«, mahnte die junge Lehrerin schließlich, um die Klasse auf das nahende Ende der Stunde einzustimmen, »ist der Blumendienst denn seinem Amt nachgekommen?«
    Und bohrte ihren Zeigefinger in die Erde trostloser Sanseverien, die stramm wie Soldaten auf der Fensterbank standen und denen zu Evelyns Enttäuschung weder zu viel noch zu wenig Wasser den Garaus machen konnte.
    »Gut, dann müssen wir noch schnell das Milchgeld einsammeln.«
    Im Hausarbeitenheft wurden Rechenpäckchen notiert, die gelöst werden sollten, und ein Gedicht, das sie bis zum Dienstag auswendig lernen mussten. Dann läutete die Schulglocke, vor Evelyns geistigem Auge erschien Rektor Kernberg und klopfte dreimal auf seinen Schreibtisch. Alle stürzten aus der Klasse.
    Nur Angela nicht.
    Evelyn Keller war ratlos. Sie wollte auch nach Hause. Was sollte sie mit der Kleinen machen?
    »Na, Angela, wolltest du nicht erzählen, was du am Wochenende machst?«, fragte sie freundlich.
    Ich geh jetzt zu ihr.

    Du bleibst sitzen.
    Heute sag ichʼs ihr.

    Nichts sagst du!
    Sie ist lieb, sie wird uns helfen.

    Sie glaubt dir kein Wort.
    Bestimmt.

    Dann stirbt sie. Wie Frau Bergmöller. Die hat einen Herzschlag gekriegt, als ihr was sagen wolltet. Ihr seid schuld. Wollt ihr noch jemand umbringen?
    »Angela?«
    »Was?«
    Das Mädchen stand auf und kam auf sie zu.
    »Alle haben erzählt, was sie am Wochenende machen. Hast du denn auch was Schönes vor?«
    »Mag gar nicht nach Hause gehen.«
    »Warum denn nicht?«
    »Papi ist gar nicht lieb zu mir.«
    »Wie, nicht lieb?«
    »Der tut mir so weh.«
    »Was macht er denn?« Die Frage war heraus, bevor Evelyn merkte, dass sie sie eigentlich gar nicht hatte stellen wollen.
    »Steckt mir Sachen in den Bauch.«
    Oh Gott. Die junge Lehrerin fand keine Worte für das, was sie fühlte. Entsetzt schaute sie auf Angela herab, die mit großen Augen zu ihr aufblickte, hoffnungsvoll. Was hat das Kind nur? Träumt es zu viel?
    »Kannst du nicht machen, dass der Papi mir nicht mehr so weh tut?«
    Evelyn spürte Ekel. Was war mit der Kleinen? Phantasierte sie? Hatte sie vielleicht Albträume? Ja, bestimmt hatte sie Albträume. Etwas anderes konnte ja gar nicht sein. Unmöglich. Die Phantasie. Angela war voller Phantasien. Manche Kinder, das wusste Evelyn noch vom Studium, können Wahrheit und Traum nicht trennen. Gerade in diesem Alter. Genau. So war es.
    »Angela«, sagte sie, als sie sich wieder einigermaßen gefasst hatte, »das hast du bestimmt geträumt. Dein Papa ist doch sehr lieb.

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