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Vater unser

Vater unser

Titel: Vater unser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jilliane Hoffman
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bescheißt», aber das nahm Lat nicht besonders ernst – er wusste auch nicht, was seine eigene Exfrau oder seine Exfreundinnen hinter seinem Rücken über ihn erzählten. Was allerdings jeder ihm bestätigt hatte, war, dass Brill ein fähiger Polizist war. Seit drei Jahren leitete er die Persons Crime Squad, und seine Akte quoll über vor Belobigungen. Zuvor war er zehn Jahre lang Sergeant bei der Florida Highway Patroi gewesen. Eine ganz ansehnliche Laufbahn, dachte Lat und warf einen skeptischen Blick auf den untersetzten Klotz mit den ausgeprägten Geheimratsecken, der neben ihm ganze Wälder zersägte. Zwei Streifenwagen des Orlando Police Departments und ein Van der Spurensicherung warteten vor dem Eingang des riesigen Hotelkomplexes, vor dem selbst um halb zwölf in der Nacht noch reger Betrieb herrschte.
« Aufwachen, Dornröschen», sagte Lat und parkte hinter einem der Streifenwagen. Dann stieg er aus und knallte die Tür hinter sich zu. Das sollte ihn wecken, dachte er, während er sich zu den uniformierten Kollegen aus Orlando stellte. Eine kleine Menschenmenge mit Micky-Maus-Luftballons und erschöpften Kindern an der Hand hatte sich vor dem Hotel versammelt – wahrscheinlich hofften die Leute, dass gleich ein Verhafteter in Pyjama und Handschellen aus dem Fahrstuhl geführt wurde.
« Schau mal, Jimmy!», würden die Eltern rufen, genau wie den ganzen Tag in Disney World, wenn Goofy oder Donald Duck vorbeiwatschelten.
« Ein Verbrecher!» Albert Plante war der Leiter der Nachtschicht, und seinem Gesichtsausdruck nach zu urteilen hatte er noch nie eine Hausdurchsuchung miterlebt. Er sah aus wie eine Trickfigur aus einem Tim-Burton-Film: groß, dürr, mit teigig-blasser Haut und hervorquellenden Augen. Als Lat ihm den Durchsuchungsbefehl aushändigte, zuckte er zusammen, als hätte er einen Schlag bekommen, und verzog unwillig den Mund. Dann führte er Lat, Brill, der sich inzwischen dazugesellt hatte, die drei uniformierten Polizisten und die Techniker von der Spurensicherung durch die Marmorlobby zu den gläsernen Aufzügen, wobei er unablässig flüsterte, so etwas sei in diesem Hotel noch nie vorgekommen. Als Albert auf dem Weg nach oben mit einem angestrengten Lächeln fragte, ob sie wenigstens im Gästebereich die Funkgeräte ausstellen könnten, gähnte Brill und sagte, er könne ihn mal kreuzweise. Die Polizisten aus Orlando lachten in sich hinein. Das Zimmer 1223 befand sich direkt neben den Aufzügen. Am Türknauf hing ein Schild mit der Aufschrift
« Wegen Renovierung geschlossen». Lats Magen krampfte sich zusammen. In diesem Zimmer hatte sich Marquette aufgehalten, bevor er mitten in der Nacht zweihundertfünfzig Meilen nach Hause gefahren war, um seine Familie zu töten. Womöglich befand sich das fehlende Puzzleteil auf der anderen Seite dieser Tür – mit rotem Lippenstift quer über den Badezimmerspiegel geschrieben wie in einem schlechten Horrorfilm.
« Nennen Sie das eine Absperrung?», fragte Lat und schaute sich ungläubig im Flur um.
« Durch Absperrband und Polizeibeamte könnten sich unsere Gäste belästigt fühlen», erwiderte Albert und steckte mit zitternder Hand die Keycard in das Schloss.
« Vor allem in einem Hotel wie diesem. Wir sind auf das Wohl unserer Gäste bedacht. Keine Sorge, Detective, lediglich die Geschäftsführung hat Zugang zu diesem Zimmer. Der Zugangscode wurde sofort nach dem Anruf der Polizei heute Morgen geändert. Es wurde nicht mal sauber gemacht, weil wir das (Wegen Renovierung geschlossen) an die Tür gehängt haben.»
« Ach so, der Zugangscode wurde geändert. Dann bin ich ja beruhigt», sagte Brill mit sarkastischem Unterton.
« Ihnen ist bewusst, dass es hier um vierfachen Mord geht, oder? Nochmal langsam zum Mitschreiben: Vier Menschen wurden umgebracht.» Albert schluckte.
« Nein, das wusste ich nicht, Detective.» Offenbar war es Brill vollkommen egal, was Albert Plante oder irgendwer sonst über ihn dachte, und genau diese Eigenschaft machte ihn Lat sympathisch. Steve Brill nahm kein Blatt vor den Mund.
« Drei kleine Kinder sind tot. Und in diesem Zimmer hat sich ihr Daddy aufgehalten, bevor er sie abgemurkst hat. ‹Mörder verkroch sich in Horrorhotel mitten in Disney World‹ – würde ‘ne schöne Schlagzeile abgeben, oder?» Albert Plante wurde noch blasser. Er öffnete zögerlich die Zimmertür und sah aus, als würde er jeden Moment ohnmächtig werden. Wahrscheinlich befürchtete er, dass eine Leiche von der Zimmerdecke baumelte

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