Vaterland
nach dem Osten evakuiert werden.
Ich lade Sie daher zu einer solchen Besprechung mit a n schließendem Frühstück zum 9. Dezember 1941, 12 Uhr, in die Dienststelle de r Internationalen Kriminalpolizeil i chen Kommission, Berlin, Am Großen Wannsee Nr. 56-58, ein.
Dokument zwei. Die Fotokopie einer Fotokopie, an manchen Stellen fast unlesbar, die Wörter abgerieben wie bei einer uralten Grabinschrift. Hermann Görings Auftrag an Heydrich, vom 31. Juli 1941:
In Ergänzung der Ihnen bereits mit Erlaß vom 24. 1. 39 übertragenen Aufgabe, die Judenfrage in Form der Au s wanderung oder Evakuierung einer den Zeitverhältnissen entsprechend möglichst günstigen Lösung zuzuführen, b e auftrage ich Sie hiermit, alle erforderlichen Vorbere i tungen in organisatorischer, sachlicher und materieller Hinsicht zu treffen für eine Gesamtlösung der Judenfrage im deutschen Einflußgebiet in Europa.
Sofern hierbei die Zuständigkeiten anderer Zentrali n stanzen berührt werden, sind diese zu beteiligen.
Ich beauftrage Sie weiter, mir in Bälde einen Gesam t entwurf über die organisatorischen, sachlichen und mat e riellen Vorausmaßnahme n zur Durchführung der anges t rebten Endlösung der J u denfrage vorzulegen.
Dokument drei. Eine Liste der vierzehn Personen, die Heydrich zu der Konferenz eingeladen hatte. Stuckart war der dritte auf der Liste; Bühler der sechste; Luther der si e bente. März kannte auch einige der anderen.
Er riß ein Blatt aus seinem Notizbuch, schrieb elf N a men auf und ging damit zur Ausgabe. Die beiden Detektive waren gegangen. Die Registratorin war nirgends zu sehen. Er klopfte auf die Platte und rief: »Bedienung!« Hinter e i ner Reihe von Aktenschränken erklang das Klirren von Glas gegen Flasche. Das also war ihr Geheimnis. Sie mußte vergessen haben, daß er da war. Einen Augenblick später watschelte sie in Sicht. »Was haben wir über diese elf Männer?«
Er versuchte, ihr die Liste zu geben. Sie faltete ihre mo l ligen Arme über der schmierigen Uniformjacke. »Ohne Sondergenehmigung nie mehr als drei Akten auf einmal.« »Kümmern Sie sich nicht drum.« »Es ist nicht erlaubt.«
»Es ist auch nicht erlaubt, im Dienst Alkohol zu trinken, und doch stinken Sie danach. Und jetzt holen Sie mir diese Akten.« Für jeden Mann und jede Frau eine Kennziffer; zu jeder Kennziffer eine Akte. Nicht alle Akten befanden sich am Werderschen Markt. Nur solche, deren Leben auf i r gendeine Wiese mit der Kriminalpolizei in Berührung g e kommen waren und ihre Spur hier hinterlassen hatten. Aber indem März das Informationsbüro am Alexanderplatz h e ranzog und die Todesanzeigen des >Völkischen Beobac h ters< (die jährlich als Ehrenliste der Gefallenen veröffen t licht wurden), konnte er die Lücken schließen.
Der erste Mann auf der Liste war Dr. Alfred Meyer vom Ostministerium. Laut seiner Kripo-Akte hatte Meyer 196o Selbstmord begangen, nachdem er wegen einer Reihe gei s tiger Erkrankungen behandelt worden war.
Der zweite Name: Dr. Georg Leibbrandt, ebenfalls vom Ostministerium. Er war 1959 bei einem Autounfall ums Leben gekommen. Ein LKW hatte seinen Wagen auf der Autobahn zwischen Stuttgart und Augsburg gerammt. Der Fahrer des LKWs war nie gefunden worden.
Erich Neumann, Staatssekretär im Amt für den Vierja h resplan, hatte sich 1957 erschossen.
Roland Freisler, Staatssekretär im Justizministerium: im Winter 1954 von enem Wahnsinnigen auf den Stufen des Berliner Volksgerichtshofs mit einem Messer zu Tode g e hackt. Eine Untersuchung, wie es hatte geschehen können, daß seine Sicherheitswachen einen kriminellen Wahnsinn i gen so nahe hatten an ihn herankommen lassen, ergab, daß niemandem ein Vorwurf zu machen war. Der Mörder war Sekunden nach dem Angriff auf Freisler erschossen wo r den.
Als er soweit gekommen war, war März auf den Korr i dor gegangen, um eine Zigarette zu rauchen. Er hatte den Rauch tief in seine Lungen gesogen, den Kopf zurückg e legt und ihn dann langsam wieder ausströmen lassen, als ob er eine Kur anwende. Als er zurückkam, fand er einen we i teren Haufen Akten auf seinem Tisch.
SS-Oberführer Gerhard Klopfer, Stellvertretender Leiter der Parteikanzlei, wurde von seiner Frau im Mai 1963 als vermißt gemeldet; seine Leiche wurde von Bauarbeitern im südlichen Berlin in einer Zementmischmaschine gefunden. Friedrich Kritzinger. Der Name klang vertraut. Natürlich.
März erinnerte sich der Szenen aus den Fernsehnac h richten: die auf bekannte Weise abgesperrte
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