Vaterland
mit Gas-LKWs in Kulmhof organisiert. In der Zwischenzeit habe man seit Oktober im Lager Auschwitz Versuche a n russischen G e fangenen und polnischen Juden mit Zy k lon B durchgeführt. Hierbei seien die Ergebnisse sowohl vom Gesichtspunkt de r Kapazität wie auch dem der Sicherung besonders vie l versprechend gewesen.
Daneben hatte Heydrich an den Rand geschrieben »Nein!« März überprüfte das in der Schlußversion des Pr o tokolls. Dieser ganze Konferenzabschnitt war in einen ei n zigen Satz zusammengefaßt worden:
Abschließend wunden die verschiedenen Arten der L ö sungsmöglichkeiten besprochen.
Auf solche Weise gereinigt war das Protokoll für die Archive geeignet.
März kritzelte weitere Notizen: Oktober, November, Dezember 1941. Langsam füllten sich die leeren Blätter. Im gedämpften Licht de s Dachzimmers entwickelte sich ein Bild: Verbindungen, Strategien, Ursachen und Wirku n gen... Er schlug die Beiträge Luthers, Stuckart s und Bü h lers zur Wannseekonferenz nach. Luther sah Probleme »in den nordischen Staaten« voraus, aber »keine größeren Problem e im südöstlichen und westlichen Europa«, St u ckart, als er nach Personen mit nur einem jüdischen Gro ß elter gefragt wurde, »schlug vor,
zwangsweise Sterilisation anzuwenden«.
Bühler kroch charakteristischerweise vor Heydrich: »Er bat nur um eine Vergünstigung - daß die jüdische Frage i m Generalgouvernement so schnell wie möglich gelöst we r de.«
Er unterbrach für fünf Minuten, um eine Zigarette zu rauchen, durch den Gang zu wandern, seine Papiere zu so r tieren: ein Schauspieler, der seinen Text lernt. Aus dem Badezimmer: das Geräusch laufenden Wassers. Aus dem übrigen Hotel: nichts außer Knarren in der Dunkelheit wie bei einer Galeone vor Anker.
SECHS
NOTIZEN ÜBER EINEN BESUCH IN AU S CHWITZ-BIRKENAU vo n MARTIN LUTHER,
UNTERSTAATSSEKRETÄR, REICHSMINIST E RIUM FÜR AUSWÄRTIG E ANGELEGENHEITE N
[handschriftlich, 11 Seiten]
14.Juli 1943
Endlich wird mir nach fast einem Jahr wiederholter E r suchen die Erlaubnis erteilt, für das Außenministerium eine volle Besichtigung de s Lagers Auschwitz-Birkenau durc h zuführen.
Ich lande von Berlin kommend auf dem Flugfeld Krakau kurz vor Sonnenuntergang und verbringe den Abend mit Generalgouverneu r Hans Frank, Staatssekretär Josef Bü h ler und ihrem Stab im Wawel.
Morgen früh soll ich bei Dämmerung vom Schloß abg e holt und ins Lager gefahren werden (Fahrzeit: etwa 1 Stu n de), wo mich de r Kommandant Rudolf Höß empfa n gen soll.
15.Juli 1943
Das Lager. Mein erster Eindruck ist der von der schieren Größe der Anlage, die nach Höß fast 2 x 4 km mißt. Die Erde ist gelber Lehm, ähnlich dem in Ostschlesien - eine einödhafte Landschaft, ab und zu von grünen Baumd i ckichten unterbrochen. lm Inneren des Lagers erstrecken sich weit über meine Sicht hinaus Hunderte von Holzbar a cken, deren Dächer mit grüner Teerpappe gedeckt sind. In der Entfernung sehe ich, wie sich zwischen ihnen kleine Gruppen von Häftlingen in blau-weiß gestreifter Kleidung bewegen - die einen tragen Bretter, andere Schaufeln und Hacken; ein paar verladen große Kisten auf LKWs. Ein Geruch hängt über der Stätte. Ich danke Höß, daß er mich empfängt. Er erklärt die Verwaltungsstruktur. Dieses Lager untersteht der Jurisdiktion des SS-Wirtschaftsverwaltungs-Hauptamt. Die anderen im B e zirk Lublin unterstehen der Kontrolle von SS-Obergruppenführer Odilo Globocznik.
Leider verhindert seine Arbeitslast Höß daran, mich pe r sönlich durchs Lager zu führen, und deshalb übergibt er mich der Fürsorge eines jungen Untersturmführers, We i demann. Er weist Weidemann an, sicherzustellen, daß mir alles gezeigt wird und daß alle meine Fragen vollständig beantwortet werden. Wir beginnen mit einem Frühstück in der SS-Unterkunft.
Nach dem Frühstück: wir fahren in den südlichen A b schnitt des Lagers. Hier: ein Abstellgleis von etwa 1,5 km Länge. Auf beiden Seiten: Stacheldraht an Betonpfeilern und hölzerne Wachtürme mit MG-Nestern. Es ist schon heiß. Hier ist der Geruch schlimm, Millionen Fliegen summen umher. Nach Westen erhebt sich über den Bä u men ein viereckiger Fabrikschlot aus roten Ziegeln, dem Rauch entquillt.
7.40 Uhr: der Bereich um die Eisenbahngleise beginnt, sich mit SS-Männern zu füllen, manche mit Hunden und mit Sonderhäftlingen, die abgestellt sind, ihnen zu helfen. In der Ferne hören wir das Pfeifen des Zuges. Ein paar M i nuten später. die
Weitere Kostenlose Bücher