Vaterland
Rand der Badewanne hatte sie eine Reihe von Gegenstä n den aufgebaut - ein Paar grüner Gummihandschuhe, eine Bürste, eine Schale, einen Löffel, zwei Flaschen. März nahm die Flaschen und studierte ihre Etiketten. Die eine enthielt eine Mischung aus Magnesiumkarbonat und S o diumazetat, die andere eine 20%ige Lösung aus Wasser s toffsuperoxid. Neben dem Spiegel über dem Becken hatte sie den Paß des Mädchens aufgeschlagen hingelegt. Ma g da Voss sah März mit weiten und unbeschwerten Augen an. »Bist du sicher, daß das klappt?«
Charlie wickelte sich das Handtuch wie einen Turban um ihren Kopf. »Zuerst werde ich rot. Dann orangefarben. Dann weißblond.« Sie nahm ihm die Flaschen ab. »Ich war ein fünfzehnjähriges Schulmädchen und schwärmte für Jean Harlow. Meine Mutter wurde verrückt. Vertrau mir.«
Sie zwängte ihre Hände in die Gummihandschuhe und maß die Chemikalien in die Schale ab. Mit dem Löffel b e gann sie, daraus eine dicke blaue Paste zu mischen.
GEHEIME REICHSSACHE.
KONFERENZPROT O KOI.I.. 30 KOPIEN. KOPIE NR…
[Die Zahl war ausradiert worden]
1. An der am 29. 1. 1942 in Berlin, Am Großen Wan n see Nr. 56/58 stattgefundenen Besprechung über die En d lösung der Judenfragen nahmen teil:...
März hatte das Protokoll an diesem Nachmittag zweimal gelesen.
Dennoch zwang er sich, sich noch einmal in die Seiten reinzuknien.
Unter III. stand: »Im Zuge dieser Endlösung der europ ä ischen Judenfrage kommen rund 11 Millionen Juden in Betracht ... «Nicht nu r deutsche Juden. Das Protokoll füh r te über 30
europäische Nationalitäten auf, darunter französische Juden (865000), niederländische Juden (160000), polnische Juden (2284000),
ukrainische Juden (2994684); da gab es die englischen, spanischen, irischen, schwedischen und finnischen Juden; die Konferenz hatt e sich sogar Zeit für die albanischen J u den genommen (200). Und:
Unter entsprechender Leitung sollen nun im Zuge der Endlösung die Juden in geeigneter Weise im Osten zum Arbeitseinsatz kommen.
In großen Arbeitskolonnen, unter Trennung der G e schlechter, werden die arbeitsfähigen Juden straßenbauend in diese Gebiet e geführt, wobei zweifellos ein Großteil durch natürliche Verminderung ausfallen wird.
Der allfällig endlich verbleibende Restbestand wird, da es sich bei diesen zweifellos um den widerstandsfähigsten Teil handelt,
entsprechend behandelt werden müssen, da dieser, eine natürliche Auslese darstellend, bei Freilassung als Kei m zelle eines neue n jüdischen Aufbaus anzusehen ist. (Siehe die Erfahrung der Geschichte. ) Im Zuge der praktischen Durchführung der Endlösung wird Europa von Westen nach Osten durchgekämmt.
» Unter entsprechender Leitung... in geeigneter Weise... den widerstandsfähigsten Teil ent-sprechend behandelt werden ...«
» Entsprechend, entsprechend ...« Das Lieblingswort im Bürokratenlexikon - das Schmierfett, darauf um Unerfre u liche s hernmzuglitschen, da s Schlupfloch, um Präzisieru n gen zu vermeiden.
März entfaltete einen Satz grober Fotokopien. Es schien sich um Kopien des ursprünglichen Entwurfs vom Prot o koll de r Wannseekonferenz zu handeln, zusammengestellt vom SS-Standartenführer Eichmann aus dem Reichssiche r heitshauptamt. Es war ei n getipptes Dokument, voller E r gänzungen und ärgerlicher Ausstreichungen in einer saub e ren Handschrift, die März inzwischen als di e von Reinhard Heydrich zu erkennen gelernt hatte.
Eichmann hatte zum Beispiel geschrieben:
Schließlich wurde Obergruppenführer Heydrich nach den praktischen Schwierigkeiten gefragt, die sich bei der Verarbeitung so große r Zahlen ergaben. Der Obergruppe n führer stellte fest, daß unterschiedliche Methoden zum Ei n satz gekommen sind. Erschießen müss e aus den ve r schiedensten Gründen als unangemessene Lösung a n gesehen werden. Die Arbeit sei langsam. Di e Abschi r mungsmöglichkeiten seien schlecht, mit dem daraus en t stehenden Risiko einer Panik unter denen, die die Sonde r behandlun g erwarten. Auch hab e man festgestellt, daß di e se Methode eine schädliche Wirkung auf unsere Männer hat. Er forderte Sturmban n führer Dr. Rudolf Lang e (KdS Lettland) auf, einen Augenzeugenbericht zu geben.
Sturmbannführer Lange berichtete, daß kürzlich drei Methode n zum Einsatz gekommen seien, die Vergleich s möglichkeiten bieten.
Am 30. November habe man 1000 Berliner Juden in e i nem Wald bei Riga erschossen. Am 8. Dezember hätten seine Männer ein e Sonderbehandlung
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