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Vaterland

Vaterland

Titel: Vaterland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Harris
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»Fehlt was?« »Ich glaube nicht.« Sie sah sich um. »Ich bin nicht sicher, daß ich es sehen könnte, wenn dem so wäre.« »Was ich Ihnen gestern abend gegeben habe ... «
    ,.O das? Es war hier auf dem Kaminsims« Sie strich mit der Hand darüber und runzelte die Stirn. »Es war hier ...« Er schloß die Augen. Als er sie wieder aufmachte, grinste sie.
    »Machen Sie sich keine Sorgen, Sturmbannführer. Es ruhte nahe meinem Herzen. Wie ein Liebesbrief.«
    Sie wandte ihm den Rücken zu und knöpfte ihre Bluse auf. Als sie sich wieder umdrehte, hielt sie den Umschlag in der Hand. Er nahm ihn mit zum Fenster. Er fühlte sich warm an.
    Er war lang und schmal, aus dickem Papier - ein reiches, sahniges Blau mit braunen Altersflecken, wie Leberfl e cken. Er war Luxusware, handgemacht, ein Überbleibsel aus einer anderen Zeit. Er trug weder Namen noch Adresse.
    In dem Umschlag befanden sich ein kleiner Messin g schlüssel und ein Brief, geschrieben auf passendem blauem Papier, dick wie Karton. In die obere rechte Ecke war in üppigem Kupferstich gedruckt: Zaugg & Cie, Bankiers, Bahnhofstraße 44, Zürich. Ein einziger Satz, der darunter getippt war, wies den Träger als Mitinhaber des Nummer n kontos 2402 aus. Der Brief war vom 8. Juli 1942 d a tiert. Er war unterschrieben mit Hermann Zaugg, Direktor.
    März las ihn noch einmal durch. Er war nicht überrascht, daß Stuckart den im Safe eingeschlossen hatte: Für einen deutschen Bürger war es ungesetzlich, im Ausland ein Bankkonto ohne Genehmigung der Reichsbank zu unte r halten. Auf Nichtbeachtung stand die Todesstrafe.
    Er sagte: »Ach habe mir Sorgen um Sie gemacht. Ich habe vor ein paar Stundenversucht, Sie anzurufen, aber niemand hat sich gemeldet.«
    »Ich war aus, Nachforschungen.« »Nachforschungen?« Jetzt grinste sie wieder.
    Auf März Anregung hin machten sie einen Spaziergang durch den Tiergarten, den traditionellen Treffpunkt für B e rliner, die Geheimes zu besprechen hatten. Selbst die G e stapo hätte erst noch Methoden erfinden müssen, wie man einen Park abhört. An Baumwurzeln sprossen Oste r blumen aus dem Rasen. Kinder fütterten die Enten auf dem Neuen See.
    Aus Stuckarts Wohnblock herauszukommen sei einfach gewesen, sagte sie. Der Luftschacht habe sich fast zu eb e ner Erde auf die Allee geöffnet. Dort waren keine SS-Männer. Die waren alle vorne vor dem Eingang. Also war sie einfach an dem Gebäude entlang zu der Straße hi n ter ihm gegangen und hatte sich ein Taxi nach Hause geno m men. Sie war die halbe Nacht aufgeblieben und hatte au f seinen Anruf gewartet und hatte den Brief immer wi e der gelesen, bis sie ihn auswendig kannte. Als sie um 9 Uhr immer noch nichts gehört hatte, beschloß sie, nicht länger zu warten.
    Sie wollte wissen, was mit ihm und Jäger geschehen war. Er erzählte ihr nur, daß man sie ins Hauptquartier der Gestapo gebracht und sie am Morgen freigelassen hatte. »Sind Sie in Schwierigkeiten?« »Ja. Und jetzt erzählen Sie mir, was Sie entdeckt haben.«
    Sie war zuerst in die öffentliche Bücherei am Nolle n dorfplatz gegangen - da man ihr den Presseausweis abg e nommen hatte, wußte sie nichts Besseres zu tun. In der B ü cherei war ein Handbuch der europäischen Banken. Zaugg & Cie gab es noch. Die Bankadresse war immer noch Bahnhofstraße. Von der Bücherei aus war sie in die US-Botschaft gegangen, um Henry Nightingale zu spr e chen. »Nightingale?«
    »Sie sind ihm gestern abend begegnet.«
    März erinnerte sich: der junge Mann in dem Spottjackett mit dem durchgeknöpften Hemd und seiner Hand auf i h rem Arm. »Sie haben ihm doch nichts erzählt?«
    »Natürlich nicht. Außerdem ist er diskret. Wir können ihm vertrauen.« »Ich ziehe es vor, selbst zu beurteilen, wem ich vertrauen kann.« Er fühlte sich von ihr enttäuscht. »Ist er Ihr Liebhaber?« Sie blieb stehen. »Was ist das für eine Frage?«
    »Für mich steht mehr auf dem Spiel als für Sie, mein Fräulein. Sehr viel mehr. Ich habe ein Recht darauf, es zu wissen.« »Sie haben überhaupt kein Recht, etwas zu wi s sen.« Sie war wütend. »Schon gut.« Er hob die Hände hoch. Die Frau war unmöglich. »Ihre Angelegenheit.« Sie nahmen den Spaziergang wieder auf.
    Nightingale, erklärte sie, war Fachmann für schweizer i sche Wirtschaftsangelegenheiten, nachdem er mit den A n gelegenheiten einiger deutscher Flüchtlinge in den Vere i nigten Staaten befaßt gewesen war, die versuchten, ihr Geld aus Banken in Zürich und Genf abzuziehen.
    Es war fast

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