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Vellum: Roman (German Edition)

Vellum: Roman (German Edition)

Titel: Vellum: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hal Duncan
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neuen Zeitalters, kommt zu uns herab aus dem tiefblauen Himmel, dem weiten Land und den fernsten Meeren, jetzt und hier.«
    Und Chrom und Manifest sehen mit scharfem Falkenblick zu, wie Silentium Adler beschenkt.
    »Dieser Knabe, der nun geboren ward«, singt er, »durch ihn wird die eiserne Weltzeit weichen und rings aufblühen ein goldenes Geschlecht. Sei ihm gewogen, o keusche Lakune, schon herrscht dein eigener Apfel.«
    Als sie an ihm vorbeigeht, hält er sie auf und legt ihr die Hand sanft auf den vom Schicksal erfüllten Bauch.
     
    »Bei den Göttern wird das Kind sitzen«, singt Silentium. »Zu den Göttern werden sich die Heroen gesellen, und unter ihnen wird er über den durch väterlich Wirken befriedeten Erdkreis herrschen. Wo aber die Spuren des alten Frevels noch zurückbleiben, werden wir mit Schiffen auf das Meer hinausfahren, um Städte schirmende Mauern zu bauen und durchs verbrannte Erdreich tiefe Furchen zu reißen. Nun kehrt wieder ein Magnat am Steuer, ein weitrer Argot traget nun die auserkorenen Helden hinaus.
    Und andre Kriege beginnen«, singt er, »und gen Troja wird wieder entsandt der große Achill.«
    Sie weicht zurück, macht einen Bogen um ihn. Das muss sie sich nicht anhören. Sie weiß es bereits. Draußen geht die Welt in die Brüche, jenseits der abgeriegelten Kleinstädte und Großstädte dieses winzigen Staates in Mittelamerika. Und sie weiß, dass sie schwanger ist.
     
    »Brich auf«, singt er. »Die Stunde ist nah, geliebter Sprössling der Götter, herrliches Kind der Freude. Beginne deine glanzvolle Laufbahn, und wenn die Jahre dich zum Manne gefestigt, fährt auch der Kaufmann nicht länger zur See, die fichtene Planke trägt keine Güter mehr. Jedes Land wird hervorbringen, wes es bedarf. Nimmer erduldet der Boden den Karst oder der Weinberg die Sichel; endlich erlöst den Stier vom Joch der kräftige Pflüger. Die Wolle verlernt die Kunst erlogener Farben; nein, selbst hüllt der Widder sich bald in des Purpurs liebliche Röte und bald in goldenen Safran; Purpur kleidet von selbst die weidenden Lämmer.«
    An der Bar beugt sich der Blonde vor, um einen zusammengerollten Schein in das Trinkgeldglas zu stecken. Das Glas steht auf einem Brett, das sich über den ganzen Tresen hinzieht. Er dreht sich um und schaut ihr nach, als sie die holzumrahmte Glastür des Lokals aufdrückt, und sie sieht, wie sich in seinen Augen das Feuer widerspiegelt. Vermutlich trägt er Linsen, und ein Nachrichtensender, der eine Explosion irgendwo dort draußen in dieser beschissenen Welt zeigt, wird direkt in sein Gesichtsfeld übertragen. Oder vielleicht hat er einfach nur Feuer in den Augen.
     
     
    Was bleibt
    »Mir bleiben nur«, singt er, »die letzten Tage eines langen Lebens und der Atem, der nicht genügen wird, deine Taten zu preisen. Nicht die kunstvollste Kalligraphie des Orpheus noch die Schönheit von Apfels Versen können neben mir bestehen, mag jenem die Mutter auch helfen und diesem der Vater. Pan sogar, fällte den Spruch auch Arkadien, stritte er mit mir, Pan sogar, fällte den Spruch auch Arkadien, gäbe sich besiegt.«
     
    Sie tritt auf den Parkplatz hinaus, und die Finsternis teilt sich vor ihr. Die Dämmerung bricht herein. Eine schwarze Flut – kaum greifbarer als ein Schatten – nimmt wie eine Flüssigkeit oder wie Staub im Wind Gestalt an. Die Welt um sie herum verschwimmt hinter einem Dunstschleier, der immer grauer wird. Die Flutlichter auf dem Baseballfeld sind ausgeschaltet worden, und im Schein einer einsamen Lampe, die an der Turnhalle befestigt ist, ein Leuchtfeuer in der Nacht, kann sie die Zuschauertribüne erkennen. Die Kinder und ihre Eltern sind natürlich längst fort.
    »Auf denn, o Knabe, erkenne lächelnd die Mutter, die zehn Monate leidend im Schoße dich barg. Auf denn, o Knabe. Wer nicht lächelnd die Eltern willkommen heißt, nimmer würdigt ein Gott ihn der Kost, eine Göttin der Logis.«
    Die Tür fällt langsam ins Schloss und dämpft das Lied, das noch immer herausdringt.
    Die Schatten umkreisen sie, aber berühren sie nicht. Die winzigen Partikel der Finsternis wirbeln durch die Luft, tanzen wie von einer winkenden Hand zerstreut davon. Sie scheinen überall zu sein, gleiten mit der Nacht herbei, um die Welt zu verändern, sie von sich selbst zu entfremden, nur ganz leise und leicht, aber Nacht für Nacht rücken sie die Welt weiter fort von dem, was sie einst war. Die Leute nennen sie Staubengel oder Bitläuse. Die Dämmerung bricht

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