[email protected], 12/10/99, 14:01.
Wirklich klasse, Jack. Ich konnte nicht widerstehen und habe mich noch ein wenig an Deinem ›Nostratisch‹ versucht. Das ist der Hammer! Ich meine, alles passt zueinander, wie bei einer richtigen Sprache. Die Grammatik, die angenommenen Lautverschiebungen – die Übereinstimmungen sind unglaublich, auch wenn es nur ein einziger großer Schwindel ist. Ich wüsste zu gerne, wann und warum Du so viel über Sprachwissenschaften gelernt hast oder wer außer Dir noch dahintersteckt. Mit Deiner Phantasie solltest Du in der Lage sein, einen Bestseller zu schreiben. Verdammte Scheiße. Du solltest promovieren, nicht ich.
E-Mail an
[email protected], 13/10/99, 14:44.
Du bist wirklich krank, Jack. Bei manchem von diesem Zeug weiß ich nicht, ob ich lachen oder kotzen soll. Es ist eine Sache, eine Sprache zu erfinden, aber das? Du schreibst hier über einen verdammten Völkermord, und das ist nicht komisch.
Was ist nur mit Jack Carter geschehen?
E-Mail an
[email protected], 13/10/99, 15:26.
Jack, ich bin jetzt auf Seite 17 und ich schicke Dir, was ich bisher übersetzt habe. Ich weiß nicht, woher Du das alles hast, aber es ist echt, oder? Verdammte Scheiße, Jack, das darf nicht wahr sein. Es ist unmöglich! Ich weiß nicht warum, aber inzwischen glaube ich, dass es authentisch ist. Wenn das ein Witz sein soll, Jack, dann bring ich Dich um. Dann reiß ich Dir den Hals auf und piss rein. Jedenfalls, ich schicke Dir mehr, sobald es übersetzt ist.
Allmählich ist auf dem Boden kein Platz mehr. Mir bleibt nichts anderes übrig, als die E-Mails teilweise übereinander zu legen. Die letzten paar hätte ich auf einer Seite ausdrucken können, aber irgendwie finde ich, dass sie voneinander getrennt bleiben sollten. Die nächste Mail ist kurz. Auf dem weißen Papier wirkt die Schrift winzig. Sie ist um 17:08 Uhr abgeschickt worden, nur eineinhalb Stunden nach der letzten.
Jack, steht da. Verbrenne alles, was ich Dir geschickt habe. Auf der Stelle. Verbrenne es, alles.
Da hatte ich das, was er mir geschickt hatte, bereits gelesen. Die Tagebücher meines Großvaters ebenso. Und mir wurde zunehmend übel. Allmählich fragte ich mich, ob ich da nicht einem scheißkranken Streich aufsaß. Als ich die erste E-Mail geöffnet hatte, war ich nicht erschrocken, ich hatte keine Gänsehaut bekommen und mir war kein Schauder den Rücken hinuntergelaufen. Aber mir war bewusst gewesen, dass ich bereits große Angst hatte.
Und jetzt warteten noch zwei weitere E-Mails auf mich, dabei hatte ich meine Mails erst vor zehn oder fünfzehn Minuten abgerufen. Die nächste war 17:11 Uhr abgeschickt worden.
Jaguar Jack, stand da. Nimm alles, was ich Dir geschrickt habe & VERBRENNE ES!
Ich weiß nicht, was meinem Freund durch den Kopf ging. Vielmehr wusste ich es, nur nicht in allen Einzelheiten. Ich habe keine Ahnung von Sprachwissenschaft oder Phonetik. Ich kann Hobbsbaums Aufzeichnungen nicht lesen, ich kann die ganzen Kringel und Schnörkel nicht in Laute übersetzen, in exakte Laute, in präzise Laute, diese Sprache, die ganz genau so niedergeschrieben worden ist, wie sie gesprochen wurde, von wem – oder was – auch immer, vor Jahrtausenden von Jahren. Also weiß ich auch nicht, was genau ihm durch den Kopf gegangen ist. Schließlich habe ich nur die Übersetzung.
Die letzte E-Mail wurde am 13. Oktober 1999 um 17:13 Uhr abgeschickt. Sie liegt vor mir auf dem Boden, zwischen all den anderen Blättern: die Seiten, für die ich noch keinen Platz gefunden habe, Hobbsbaums Aufzeichnungen in der braunen Aktenmappe. Ich versuche, nicht an meinen Freund zu denken, an die Beruhigungsmittel, mit denen sie ihn vollgepumpt haben.
Da wird mir klar: Ich muss es einfach wissen. Ich muss es bis zum bitteren Ende durchziehen, ich muss Aratta finden. Oder wohin auch immer es meinen Großvater verschlagen hat. Und Jack Carter.
Ich habe das Geld, das mir meine Großmutter hinterlassen hat, für ein Flugticket und einen Haufen Reiseschecks ausgegeben. Das wird nicht das erste Mal sein, dass ich mit dem Rucksack unterwegs bin, und so bezweifle ich nicht, dass ich es schaffen kann. Aber die letzte E-Mail hat mir eine Scheißangst eingejagt.
Iakchos zack die Hexe sinnlos zuck Sünde Du auch und verbrenne es verbrenne es verbrenne es verbrenne es verbrenne es.
Ich knicke das Deckblatt des Streichholzheftchens aus dem Holiday Inn nach hinten, um das Streichholz