Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Vellum: Roman (German Edition)

Vellum: Roman (German Edition)

Titel: Vellum: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hal Duncan
Vom Netzwerk:
zwischen Karton und schwarzem Streifen festzuklemmen, schnipse es heraus und zünde mir mit auflodernder Flamme eine Zigarette an. In letzter Zeit rauche ich ziemlich viel.

Errata

 
     
    Affenmenschen auf der Steppe der Dämmerung
     
    Rudelbildung ist für diese Geschöpfe anscheinend normal. Puck und ich folgen ihnen und beobachten sie aus der Ferne. Puck hat das Ewige Stundenbuch offen auf dem Schoß liegen und vergewissert sich so, dass wir nicht zu weit vom Weg abkommen. Ich beschäftige mich mit meinen Notizbüchern und versuche, diese affenartigen Aasfresser einzuordnen. Sie wirken wie die Geister unserer vor langem ausgestorbenen Vorfahren oder wie entfernte Verwandte, Seitenlinien einer parallel verlaufenden Evolution in den fremden Welten des Vellum. Sie sind irgendwo zwischen Tier und Mensch angesiedelt und können ganz offensichtlich Risiko und Möglichkeiten einschätzen, die Raubtiere und Konkurrenten darstellen. Und sie wissen zwischen stark und schwach, schnell und tot zu unterscheiden. Wir zockeln auf unserem Wagen neben ihnen her, gezogen von dem zehnbeinigen Kriechmechanismus, der mir einst als Flügel gedient hat. Wenn sie bei Einbruch der Dunkelheit einen Lagerplatz suchen, halten wir in ihrer Nähe an, und wenn sie im Morgengrauen aufbrechen, ziehen wir mit ihnen weiter. Sie nehmen unsere Anwesenheit nicht einfach stumm hin, aber sie laufen auch nicht vor uns davon. Sie brüllen und schnattern uns feindselige Warnungen zu, und immer wieder werfen sie mit Steinen nach uns, aber wir haben eben auch Nahrung dabei, die sie uns stehlen können. Und offenbar stellen wir keine Bedrohung dar, also beobachten sie uns mit wachsamer Neugier. Das unterscheidet sie von den anderen Stämmen der Hominiden, die in den Ausläufern des Mount Oblivion zu Hause sind.
    Ich beobachte sie und fühle mich wie ein Anthropologe, der die glückliche Gelegenheit hat, Homo habilis in seiner natürlichen Umgebung zu studieren. Allerdings wirkt die Welt, die wir durchqueren, weniger wie der Frühling der menschlichen Evolution, sondern eher wie ihr Herbst.
    Überall um uns herum zerfallen die Gebeine längst untergegangener Zivilisationen zu Staub, und diese affenartigen Geschöpfe mit ihrer glatten kupferfarbenen Haut, die anmutig, groß und schlank zwischen all den wuchernden Pflanzen nach Beeren und Früchten suchen, wirken so modern wie Menschen, die in Designerklamotten durch die Straßen einer Stadt spazieren.
     
    Auf unserem Weg durch die Wildnis halten wir uns möglichst von jeder Zivilisation fern, denn wir möchten den Fragen derjenigen aus dem Weg gehen, die einen Menschen mit Hörnern ein wenig ... sonderbar fänden oder die es für eine bemitleidenswerte Missbildung hielten, dass wir keinen Schwanz haben. Außerdem, und das ist fast noch wichtiger, möchte ich nicht die ganze Zeit wie besessen arbeiten und jeden Einzelnen, der sich uns nähert, in das Buch eintragen müssen. Es hilft mir auch nicht weiter, wenn einer von uns beiden dauernd in der Gegend herumrennt, in jede Tankstelle oder jedes Fernfahrerlokal hineinschaut und sich Zahlen und Koordinaten merkt, während der andere gelangweilt und unruhig auf seine Rückkehr wartet, die Feder schreibbereit in der Hand. So schnell Puck auch sein mag, als Kundschafter ist er manchmal ein wenig unzuverlässig, und nach dem letzten seltsamen Zwischenfall, als ein Ladenbesitzer oder Tankwart verschwand, kaum war ich mit dem ›Buch‹ in seine Nähe gekommen, verlasse ich mich nur noch ungern auf die Genauigkeit der Fakten und Zahlen, die er mir diktiert. Noch ärger war es, als ich selbst das Gebiet vor uns erkundete und bei meiner Rückkehr Puck dabei überraschte, wie er geistesabwesend in dem ›Buch‹ herumkritzelte, als sei das ein Malbuch für Kinder. Er lag auf dem Wagen, die Seiten offen vor sich, die Beine in der Luft, die Zunge im Mundwinkel, und hantierte wild mit einem Buntstift.
    Als ich dann zu ihm trat, nachdem ich eine violette Wüste durchquert hatte, und ihm einen vielsagenden Blick zuwarf, zuckte er nur mit den Schultern.
    »Ich mag violett«, sagte er schließlich, ebenso verlegen wie missmutig.
     
    Nun, zumindest haben wir inzwischen herausgefunden, dass der Einfluss des Buches nur zeitweilig ist. Während wir vorüberziehen, verstummt die Welt, aber dann erwacht sie abermals zu neuem Leben. Hinter uns tauchen die Menschen wieder auf, und wenn sie auch nicht unbedingt mit dem fortfahren, was sie gerade getan haben, so tun sie doch, was sie

Weitere Kostenlose Bücher