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Vellum: Roman (German Edition)

Vellum: Roman (German Edition)

Titel: Vellum: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hal Duncan
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kriminelle Laufbahn einschlagen«, sagt Guy.
    »Klar«, sagt Joey. »Lass uns irgendwo einbrechen, ein Auto klauen, die Karre anzünden. Wir könnten uns als Drogenhändler versuchen. Als Kredithaie. Aber dann wären wir trotzdem verdammte Wachhunde. Ist euch das klar? Versteht ihr, was ich meine?«
    »Wir würden am Rand der Gesellschaft die Aufpasser spielen«, sagt Jack.
    Joey nickt und murmelt etwas von verdammten Drohnen.
    »Waffen«, sagt Jack und starrt die Graffiti auf den Fensterläden des Buchmachers an. »Wir sind Waffen.«
    »Kann sein«, sagt Guy und wirft ihm einen seltsamen Blick zu.
    Aber das ist er gewohnt.
    ›Willkommen in Siagon‹, steht auf den Fensterläden, und das Gefühl kennt er nur zu gut. Das hätte er selbst dort hinmalen können, aber er hätte Saigon wenigstens richtig geschrieben. Und wahrscheinlich hätte er ›Willkommen in der Hölle‹ den Vorzug gegeben. Das wollte er schon immer einmal auf die Straßenschilder an den Zufahrten der Städte schmieren.
    Operativer Vorgang: Zwingend erforderlich: Standort vergrößern. Genauer bestimmen.
    Die Straße ist asphaltiert, aber uneben und verwittert; mit Graffiti bedeckt, mit Sprüchen und Namen von Bands, obskuren Bandenzeichen aus ineinander übergehenden Buchstaben. Überall sprengen Wurzeln den Belag. Aus Pornomagazinen und Zeitungen herausgerissene Seiten hängen zerknüllt in der Wand aus Sträuchern, durch die sie kriechen müssen, um zu ihr hinunter zu gelangen. Kein anderer Weg führt zur Straße — sie taucht einfach aus den grasbewachsenen Dünen auf und verschwindet wieder zwischen ihnen. Höchstens hundert Meter ist sie lang, als hätte jemand die Welt, die sie umgibt, einfach dort fallen lassen, als hätte sie früher irgendwo hingeführt, aber dann haben sie das ›irgendwo‹ einfach fortgenommen. Die Straße sieht keineswegs so aus, als gehöre sie nicht hierher, zwischen diese grasbewachsenen Sandhügel gegenüber den Feldern und dem Fluss, den sie nur entlang eines Wasserrohrs überqueren können. Eher passt die umliegende Landschaft nicht zur Straße. Als hätte jemand eine frühere Welt ausrangiert und die hier darüber gebaut und dabei vergessen, diesen kleinen Abschnitt der Wirklichkeit auszuradieren.
    Gedankenstrom einschieben.
    Operativer Vorgang: Abschweifung umlenken. Standort genauer bestimmen.
    Jack hat das sonderbare Gefühl, hier schon einmal gewesen zu sein, vor langer Zeit, als er noch jünger war. Er sieht sich um und betrachtet die leeren Sprühdosen, die Leimtöpfe und Plastiktüten und —
    »He, sieh mal.«
    Ein Betonzylinder, fast zwei Meter im Durchmesser und einen guten halben Meter hoch, obendrauf ein eiserner Kanaldeckel. Jack hält die Sprühdose fest umklammert — die Sprühdose, mit der er sich gerade frisch verewigt hat. Ohne sein Zutun drückt er auf die Düse, hört das Zischen und sieht, wie seine Hand sich bewegt ... aber er hat keine Ahnung, was er da schreibt und warum.
    ET IN ARCADIA EGO.
    »Was zum Teufel soll das heißen?«
    »Keine Ahnung. Verdammte Scheiße, ich weiß es nicht.«
    Aber er kann eine Stimme hören, die ihm diese Worte von irgendwoher ins Ohr flüstert.
    Ein Strom aus Stimmen
     
    »Wissen Sie, wer sich auf der anderen Seite des Spiegels befindet?«
    »Nein«, sagt Starn. »Irgendein diensthabender Beamter. Das ist Vorschrift.«
    »Sie wissen, dass die nicht nur mich beobachten, sondern auch Sie.«
    »Wohl kaum, Jack. Aber Sie wollten mir etwas über diese Verschwörung erzählen. Haben Sie deshalb – wie viele Menschen haben Sie getötet? Sie glauben, dass jemand ein ... ein Komplott gegen Sie schmiedet?«
    »Sündenböcke und Erlöser, Kumpel. Wenn man die Gedanken der Leute steuern will, braucht man ein Ungeheuer oder einen Messias – etwas, das man opfern kann, um all die Stimmen zum Schweigen zu bringen.«
     
    »Stimmen?«
    Starn schaut auf die Uhr und fragt sich, ob er diese Sache nicht vielleicht rascher zu Ende bringen kann.
    »Die ganzen Stimmen in unseren Köpfen, der Strom der Stimmen in unseren Köpfen, die uns sagen wollen, was wir tun müssen.«
    Aber das ist alles zu offensichtlich, zu glatt. Schön und gut, auditive Halluzinationen sind ein klassisches Zeichen für Schizophrenie im fortgeschrittenen Stadium, für einen psychotischen Zusammenbruch, aber das gehört zu den Dingen, mit denen alle selbstsüchtigen kleinen Mörder daherkommen, wenn sie sich aus dem Kuddelmuddel herauswinden wollen, in das sie sich hineinmanövriert haben –

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