Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Vellum: Roman (German Edition)

Vellum: Roman (German Edition)

Titel: Vellum: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hal Duncan
Vom Netzwerk:
etwas, irgendetwas, an dem sie es auslassen konnten. Das anzügliche Grinsen des Kerls, der vorne zwischen dem Fahrer und dem Beifahrer saß, als er sich umdrehte und ihn durch das Heckfenster hindurch anstarrte.
    Wie hieß er nochmal? Jack, oder? Scheiße, aber der war wirklich scharf.
    Kaum hatte seine Schwester gesprochen, rief Dumuzi:
    »Meine Schwester! Flieh! Geschwind! Lauf in die Berge! Schreite nicht langsam wie eine Edelfrau. Schwester, lauf! Die Ugallu, von den Menschen gehasst und gefürchtet, sind auf ihren Booten. Sie kommen. Hölzerne Zwingen haben sie dabei, ihm die Hände zu fesseln; hölzerne Zwingen haben sie dabei, ihm den Hals zu fesseln. Schwester, lauf!«
    »Siehst du sie?«, wollte sie wissen.
    »Sie kommen«, sagte Dumuzis Freund. »Die großen Ugallu mit den hölzernen Zwingen kommen, dich zu holen.«
    »Rasch, Bruder! Verstecke dich im Gras. Deine Dämonen kommen, dich zu holen!«
    »Meine Schwester, sag niemandem, wo ich mich verstecke. Mein Freund, sag niemandem, wo ich mich verstecke. Ich werde mich im Gras verstecken. Ich werde mich im Gebüsch verstecken. Ich werde mich unter den Bäumen verstecken. Ich werde mich in den Gräben von Arali verstecken.«
    »Dumuzi«, sagte sein Freund, »falls wir irgendjemandem erzählen, wo du dich versteckst, mögen die Hunde uns verschlingen, deine schwarzen Hirtenhunde, die herrschaftlichen Hunde, mögen deine Hunde uns verschlingen!«
    Und Geschtinanna floh, lief vor den Ugallu davon, in die Berge hinauf, und Dumuzis Freund floh mit ihr.
     
    Ein ganz anderes Jahrhundert.
    Thomas kauert im Gras. Er hört, wie sie durch das Kornfeld brechen, immer näher kommen, und er versucht, ein Keuchen zu unterdrücken, nicht nach Luft zu schnappen, während ihm der Schweiß über das Gesicht läuft, in den Mund. Die kaum vernarbten Peitschenwunden auf seinem Rücken schmerzen immer noch furchtbar und er vermutet, dass sie wieder bluten, aber er darf nicht nach ihnen fassen, darf jetzt kein Geräusch machen. Er hält das kleine Holzkreuz, das er um den Hals trägt, fest umklammert und betet zum gütigen Gott; doch der gütige Gott sagt, das Heil liege im Leid, und Thomas weiß nur zu gut, dass er leidet, und wie, gar keine Frage, und die Männer seines Meisters werden ihn ganz sicher leiden lassen wie der Herr höchstselbst, aber Thomas glaubt nicht, dass er das Heil finden wird. O nein, nicht Thomas.
    Gewehrkolben brechen Getreidestiele, dreschen auf grüngoldene Blätter ein, in der trockenen Hitze wirbeln Füße Staub auf und Hunde bellen. Sie sind zu siebt, große Männer, gewaltig und unbarmherzig.
    »Zeig dich, Mann. Wir finden dich sowieso.«
    Der kleine Ugallu sprach zu dem großen Ugallu.
    »Ihr Ugallu, die ihr keinen Vater und keine Mutter habt, keine Schwester und keinen Bruder, kein Weib und Kind, die ihr durch die Himmel fliegt und über die Erde pirscht wie Krieger, die ihr an der Seite eines Mannes bleibt und keine Gnade zeigt, die ihr weder Gut noch Böse kennt — sagt uns, wer hat jemals gesehen, dass die Seele eines Feiglings im Frieden mit sich selbst lebt? Wir sollten Dumuzi nicht im Haus seines Freundes suchen. Wir sollten Dumuzi nicht im Haus seines Schwagers suchen. Nein. Wir sollten Dumuzi im Haus seiner Schwester suchen, im Haus von Geschtinanna.
    Süße kleine rosafarbene Dinger
     
    Sie stellten sich als Herr Pechorin und Herr Carter vor.
    »Aber sie können Vlad und Rosie zu uns sagen«, fügte Pechorin hinzu.
    Sie sahen aus wie Raubvögel, der eine dunkel, der andere hell, ein schwarzer Falke und ein goldener Adler.
    »Wir sagen Rosie zu ihm«, fuhr Carter – der Blonde – geistesabwesend fort und strich um das Radio herum. »Aber das ist nicht sein richtiger Name.«
    »Allerdings ist Vlad auch nicht sein richtiger Name«, sagte Pechorin.
    »Es ist eine Kurzform von ›Rosebud‹ ... denn so mag er sie am liebsten, verstehen Sie?«
    »Süße kleine rosafarbene Dinger«, sagte Pechorin und zeigte die Zähne  – zu nett, um höhnisch zu wirken, zu kalt, um ein Lächeln zu sein.
    »Und warum sagen sie Vlad zu Ihnen?«, fragte das Mädchen, strich sich das dunkelrote Haar aus den Augen und schlug den Kragen ihrer Motorradjacke auf eine Art und Weise hoch, die sie – kaum hatte sie es getan – schon wieder bereute. Zu gewollt, dachte sie, zu defensiv.
    Er überging die Frage, legte stattdessen fast unmerklich den Kopf schräg und schnüffelte, wie ein neugieriger Hund. Oder wie ein hungriger Hund.
    »Wo ist er?«
     
    »...

Weitere Kostenlose Bücher