Velten & Marcks - Mordfall Tina Hofer (German Edition)
Wunderdinge vollbringt.“
Sie orderten Cappuccino und Alf eilte in die Küche. Der Wintergarten hatte die Maße eines veritablen Gewächshauses. Er war nach an Seiten verglast und erlaubte einen fantastischen Blick auf die Ausläufer des Westrichs. Wiesen und Wälder erstreckten sich bis zum Horizont.
Nach wenigen Minuten kam Alf mit einem Tablett zurück und stellte drei dampfende Tassen auf den Tisch. „Die Kaffeemaschine frisst mehr Strom als eine Kleinstadt, aber das Resultat ist jeden verdammten Cent wert.“
Während sie schweigend an dem tatsächlich erstklassigen Cappuccino nippten, hatte Velten zum ersten Mal nach dem überfallartigen Empfang an der Haustür die Gelegenheit, seinen früheren Kollegen genauer in Augenschein zu nehmen. Alf Kuntz war moderat gebräunt. Das noch immer volle Haar war schneeweiß geworden. Die Nobeluhr an seinem Handgelenk und die italienischen Maßschuhe unterstrichen seine unübersehbare Geringschätzung jeglicher Form von Understatement.
„Ich war natürlich total überrascht, als mich Renate Knab vorhin anrief, um für euch beide einen Termin mit mir auszumachen. Die gute Renate. Wie alt ist sie inzwischen?“
„In den späten Fünfzigern oder Anfang sechzig“, vermutete Velten. „Genau weiß ich es nicht.“
„Sie ist eine der wenigen, die aus meiner Zeit noch übrig sind . Sonst fallen mir nur noch Dieter Kreutzer und natürlich Heiner Wagner, der alte Paparazzo ein“.
„Und ich.“
„Und du natürlich“, rief Alf begeistert und klopfte Velten kraftvoll auf die Schulter. „Allerdings haben wir ja nur ein paar Jahre gemeinsam in der Redaktion verbracht.“ Er stellte seine Tasse ab: „Nun, raus damit, was kann ich alter Sack für euch junges Gemüse tun?“
„Es geht um die Pfaffenwiese . Du hast ja sicher gelesen, dass es dort am Montag einen Erdrutsch gegeben hat.“
„Ja, üble Sache. Die Pfaffenwiese ist ein richtiges Seuchenprojekt. Wisst ihr, ich war damals felsenfest davon überzeugt, dass aus dem Industriepark etwas Großartiges werden würde, und habe der Stadt richtig Schützenhilfe gegeben. Aber leider hat sich am Ende gezeigt, dass Kröten-Ferdi und seine Umweltspinner tatsächlich recht hatten. Das ganze Vorhaben war von vorne bis hinten ein gottverdammter Flop. Und jetzt auch noch dieser Erdrutsch und die Sache mit dem Skelett. Weiß man schon, wer da lag?“
„Noch nicht“, log Katja. „In einem Gutachten wurde seinerzeit davor gewarnt, dass die Mauer zu schwach dimensioniert ist.“
„Es gibt immer alle möglichen Studien und wissenschaftliche Untersuchungen“, wischte er ihren Einwand weg. „Das gehört zum politischen Geschäft. Egal wie eine Sache ausgeht, am Ende wird irgendein Experte alles genau vorhergesagt haben. Leider weiß man vorher nie, bei welchem der vielen beteiligten Klugscheißer es sich um diesen Glückspilz handelt.“ Er lachte dröhnend.
„Ähnlich hat sich Hagen Leonhard auch geäußert“, erinnerte sich Velten. „Sag mal, wie liefen denn damals die politischen Entscheidungen zur Pfaffenwiese genau ab? Und ich meine jetzt nicht die Abstimmungen im Stadtrat, sondern die viel wichtigeren Hinterzimmergespräche.“
„Ich kann mich noch ziemlich gut daran erinnern, obwohl die heiße Phase der Projektplanung ja schon ewig her ist. Der damalige Oberbürgermeister, ein Sozi, wollte den Industriepark unbedingt. Seine Fraktion hatte er natürlich schnell überzeugt, aber Rud olf Denig, der Vorsitzende der konservativen Fraktion, stand der ganzen Sache anfangs sehr skeptisch gegenüber. Im Stadtrat wurde das Thema heftig diskutiert, doch dann einigten sich die großen Fraktionen ganz zufällig darauf, eine neue Mehrzweckhalle zu bauen, und zwar mitten in Denigs Wahlbezirk. Danach wurde das alte Schlitzohr quasi über Nacht zum glühenden Befürworter der Pfaffenwiese und walzte jeden Widerstand dagegen platt. Politik ist eben ein dreckiges Geschäft, am Ende wäscht doch immer eine Hand die andere. Ironischerweise ist Denig gestorben, bevor seine heißgeliebte Halle fertig wurde und seine Wähler im dafür angemessen danken konnten. Seine Tochter Regina ist bald darauf in die Fußstapfen des Alten getreten und führt seitdem die Fraktion an der kurzen Leine. Ihr Spitzname Eiserne Regina kommt nicht von ungefähr.“
Velten machte sich Notizen. „Wer war neben dem früheren OB die treibende Kraft in der Stadtverwaltung?“
„Das war ohne Zweifel Roland Dubois, unser heutiger Oberbürgermeister. Er war
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