Velten & Marcks - Mordfall Tina Hofer (German Edition)
allerdings hatte er im Gegensatz zu ihr einige persönliche Gegenstände und Fotos rund um seinen Schreibtisch platziert. Ein gerahmtes Bild zeigte Germann beim Fallschirmspringen. Er grinste mit vom Luftstrom verzerrten Gesicht in die Kamera, während er im freien Fall auf eine malerische Meeresküste hinabstürzte. Eine andere Aufnahme zeigte ihn mit hochgerissenen Armen beim Zieleinlauf des Berlin-Marathons. Beeindruckt wandte Velten den Blick ab und konzentrierte sich auf die Unterhaltung am Tisch.
„Susanne hat mir erzählt, dass sich der Morgenkurier für unsere Ermittlungen gegen Hagen Leonhard interessiert“, sagte Germann gerade zu Katja.
„Wir haben im Archiv mehrere Berichte über Fälle von Korruption im Zusammenhang mit der Vergabe von öffentlichen Bauaufträgen gefunden“, erklärte Katja. „Außerdem sind wir auf alte Artikel gestoßen, bei denen es um illegale Abfallentsorgung geht. Dabei fiel immer wieder auch der Name von Hagen Leonhard beziehungsweise seiner Firma L&S BAU .“
„Das war alles vor meiner Zeit in Zweibrücken. Ich konnte mich allerdings gestern mit einem Kollegen unterhalten, der damals in den genannten Fällen tätig war. Die Staatsanwaltschaft hat lange versucht, genügend belastendes Material gegen Leonhard zu sammeln, um ihn wegen Bestechung und unerlaubter Preisabsprachen anklagen können. Allerdings zogen mehrere Belastungszeugen ihre Aussagen gegen ihn wieder zurück. Es wurde damals vermutet, dass Leonhard sie unter Druck gesetzt oder bezahlt hat. Das war das enttäuschende Ende der Ermittlungen in dieser Sache.“
„Aber zumindest in einem Fall kam es doch zu einem Prozess“, hakte Katja nach.
„Das stimmt“, antwortete Germann. „Dabei ging es um die illegale Entsorgung von Sondermüll. Beim Abriss eines alten Freibads in der Nähe Waldenthals wurden die Keller und die früheren Schwimmbecken mit angeblichem Bauschutt verfüllt. Nach einem anonymen Hinweis wurde das Material untersucht und stellte sich als Schadstoff der Klasse Z2 heraus, der nur in speziellen Deponien entsorgt werden darf. Man ging von mindestens zehn LKW-Ladungen aus, das entspricht etwa dreihundert Tonnen.“
Katja tippte die Informationen in ihren Computer: „Und mit dem Abriss des Schwimmbades war Hagen Leonhard beauftragt?“
„Hier wird es knifflig“, sagte der Staatsanwalt. „Zwar hatte seine Bauunternehmung L&S BAU die Ausschreibung gewonnen, doch Leonhard will einen Subunternehmer aus Zweibrücken mit der Auffüllung des alten Bades beauftragt haben.“ Er blätterte in seinen Notizen: „Der Mann hieß Horst Bernhard und war damals zweiundvierzig Jahre alt. Pikanterweise hat dieser Bernhard unmittelbar vorher von L&S BAU den Auftrag zur Entsorgung genau jenes kontaminierten Materials erhalten, das sich später am ehemaligen Schwimmbad fand. Es stammte aus einem Chemieunternehmen, das L&S kurz zuvor abgerissen hatte. Die Kollegen, die diese Vorgänge damals untersuchten, vermuteten natürlich sofort, dass der Subunternehmer den Sondermüll mit Wissen Leonhards aus der Industrieruine in das Schwimmbad verschoben hatte, um die Kosten für die rechtmäßige Entsorgung zu sparen. Sie klagten ihn und Horst Bernhard wegen Verstoßes gegen Paragraph 8 Absatz 4 des Landesabfallwirtschaftsgesetzes an.“
„Wie endete der Prozess?“
Germann verzog das Gesicht: „Mit einem Freispruch erster Klasse für Hagen Leonhard. Er konnte eine von Bernhard unterzeichnete Verwertungsbestätigung vorweisen. Mit dieser Erklärung hatte der Subunternehmer die komplette Verantwortung für die vorschriftgemäße Entsorgung des Sondermülls übernommen und L&S BAU vollständig entlastet.“ Germann schob seine Notizen beiseite. „Obwohl die Staatsanwaltschaft damals erhebliche Zweifel daran hatte, dass Bernhard überhaupt verstand, was er da unterschrieben hatte, folgte das Gericht der Argumentation von Leonhards Anwälten und sprach ihn in allen Anklagepunkten frei. Horst Bernhard wurde zu einer Bewährungsstrafe und zur Übernahme der Kosten für die ordnungsgemäße Behandlung des Sondermülls verurteilt.“
„Das heißt, er war ruiniert“, vermutete Velten.
Germann zuckte die Schultern: „Das ist anzunehmen. Wir sprechen sicher von einer Summe im deutlich sechsstelligen Bereich.“
„Gab es in jüngerer Zeit Anzeichen dafür, dass Leonhard mit unsauberen Mitteln an seine Aufträge gekommen ist?“
„Wir haben keine handfesten Beweise gegen ihn“, räumte der Staatsanwalt nachdenklich
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