Velvet Haven - Pforten der Finsternis - Renwick, S: Velvet Haven - Pforten der Finsternis - Mists of Velvet - The Immortals of Annwyn Book Two
von seinem Ururgroßvater Daegan geerbt, der dem Thron
und seinen Sidhe-Kräften entsagt hatte: zugunsten eines Lebens als Sterblicher. In Rhys musste immer noch ein wenig Sidhe-Blut fließen, ganz gleich, in welch geringen Mengen. Doch sosehr er sich auch bemühte, er hatte es bisher nicht geschafft, irgendwelche magischen Kräfte zu mobilisieren, und die Folge davon war, dass diese verdammte Tür für ihn auch weiterhin tabu blieb.
Normalerweise kümmerte er sich nicht im Geringsten um Annwyn, doch er hatte nun bereits zum dritten Mal in dieser Woche beobachtet, wie Keir den Zauber gebrochen und durch die Tür in die Anderwelt entwischt war. Es war ja nicht so, als würde es Rhys grundsätzlich kümmern, was Keir in seiner Freizeit so trieb, doch es war schon verwunderlich, dass Keir ihm nicht erzählte, was er tat oder wohin er ging. Sein Verhalten in jüngster Zeit – immer unruhig, fast schon überspannt – erstaunte und besorgte Rhys.
Himmel! Das klang ja fast nach einer verdammten Liebesaffäre – aber das war es garantiert nicht. Immerhin war hier von Keir die Rede; um Keir machte er sich Sorgen.
Keir – sein Schattengeist, also sein Beschützer von Geburt an.
»Der ist mir vielleicht ein Beschützer«, knurrte er, während er die Tür zu seinem Büro zuschlug. Er hatte wirklich keinen Babysitter nötig. Er konnte schon recht gut für sich selbst sorgen, und er kam auch ziemlich gut mit sterblichen wie unsterblichen Störenfrieden zurecht, die ihm in seinem Club immer wieder Ärger bereiteten.
Nein, es lag gewiss nicht daran, dass er um sein eigenes Leben fürchtete. Deshalb war er wohl kaum so unruhig; sondern: Er machte sich Sorgen. Irgendetwas stimmte nicht mit Keir. Er war zwar immer schon etwas angespannt gewesen,
doch in letzter Zeit hatte sich der stille Ernst des Schattengeistes in eine geradezu offene Bedrohung verwandelt. Keir war nicht mehr er selbst, und niemand konnte das besser beurteilen als Rhys.
Irgendein riesiges kosmisches Durcheinander musste dazu geführt haben, dass ihm ein männlicher Schattengeist zuteil geworden war, um ihn vor dem Erbfluch zu schützen, der auf seiner Familie lastete. Die älteren erstgeborenen männlichen Mitglieder seiner Familie hatten stets weibliche Schutzgeister gehabt, was viel besser war, wenn man bedachte, wie intim diese Bande stets waren.
Doch Rhys’ Geist war ein Mann. Das Universum, davon war er überzeugt, hatte seinen Spaß daran, ihn an der Nase herumzuführen.
Davon aber einmal abgesehen, verließ sich Rhys auf Keirs ständige Anwesenheit, um ihn vor einem Fluch zu beschützen, der sich schon über zwei Jahrhunderte hielt, und Keirs Überleben hing davon ab, ob Rhys ihn nährte. Zunächst hatte Keir allein von Rhys’ Gefühlen leben können – den positiven wie den negativen. Doch mit Beginn der Pubertät hatte der Schattengeist sich dann immer weniger nach Gefühlen verzehrt, sondern zunehmend nach sexueller Energie. Und seltsamerweise machte das Rhys überhaupt nichts aus. Ihre Beziehung war mehr als nur die zwischen Beschützer und Schützling. Sie verband etwas Tiefgreifenderes, und wenn Keir zum Überleben den heißen Sex zwischen ihm und einer Frau brauchte, dann sollte es eben so sein.
Eine ziemlich kaputte Beziehung musste das sein, wenn man ehrlich war, aber es war nun mal so. Außerdem mangelte es innerhalb der Mauern des Velvet Haven nie an weiblicher
Gesellschaft, und die wenigsten Damen wären einem solchen Dreier abgeneigt gewesen.
Alles war sogar ganz wunderbar gelaufen, vom ersten Tag an, als sich Keir neben Rhys’ Wiege auf den Hintern gepflanzt hatte. Alles war normal gelaufen – na ja, zumindest so normal, wie es für einen Schattengeist und einen sterblichen Nachfahren von Feen eben laufen konnte. Doch vor zwei Wochen war die Normalität dann jäh zerstört worden, als ein sadistischer Ritualmörder die Unverfrorenheit besessen hatte, sein letztes Opfer ausgerechnet draußen vor Rhys’ Club abzuschlachten und zu zerstückeln. Wenn man dann noch ein wenig schwarze Magie, einen angepissten Sidhe-König sowie einen gefährlichen gefallenen Engel dazu nahm, dann wusste man, was Normalität bedeutete.
Rhys schüttelte den Kopf, sank auf seinen Stuhl und blickte auf die Unterlagen hinab, die über seinen Schreibtisch verstreut lagen. Er tappte immer noch im Dunkeln, wie schon vor zwei Wochen, als der Mord geschehen war. Alles, was er wusste, war, dass da draußen ein Mörder herumlief, der sich diverser Todes- und
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