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Venetia und der Wuestling

Venetia und der Wuestling

Titel: Venetia und der Wuestling Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georgette Heyer
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eher - in der Meinung seines erzürnten Vaters - einer sehr anderen Behandlung, denn er hatte sich nur den Arm gebrochen, und das durch einen Akt tollkühnen Ungehorsams. Venetias Besuch war reine Höflich-keit, und sie hätte ihn vielleicht gar nicht gemacht, wäre sie weniger nervös oder eher imstande gewesen, die Beschwerden der verschiedenen Mitglieder des häuslichen Stabs in Undershaw zu ertragen, die keinen Tag verstreichen ließen, ohne ihre Hilfe gegen die Übergriffe Mrs. Scorriers anzurufen.
    Aubreys Überfall bei einer Szene, die sie und Damerei allein anging, hatte sie nicht sehr gestört, obwohl sie den Bruder anderswohin gewünscht hätte. Sie war ja gezwungen gewesen, sich sofort mit einer Krise völlig anderer Art auseinanderzusetzen. Erst viel später kam sie dazu, alles, was sich in der Bibliothek abgespielt hatte, zu überlegen und sich zu fragen, was wohl für eine Bedeutung hinter einigem steckte, das Damerei zu ihr gesagt hatte. Sie zweifelte genauso wenig daran, dass sie geliebt wurde, wie daran, dass die Sonne morgen wieder aufgehen werde. Als sie aber dann im Bett lag, wurde ihr tiefer Friede, zu dem weder der häusliche Krach noch Mrs. Scorrier vorzudringen vermochten, von einem bösen Vorgefühl aufgestört, zunächst so leise, dass es kaum erkennbar war, das aber allmählich die Zufriedenheit in eine vage Unruhe verwandelte. Damerei hatte nichts gesagt, was sie nicht einer skrupelhaften Mannesehre hätte zuschreiben können, zu nichtig, um es nicht leicht zu überwinden. Während sie aber noch über die männliche Torheit lächelte, blitzte einen sengenden Augenblick lang die Angst in ihr auf, dass Damereis Zögern, sich zu binden, anders interpretiert werden konnte. Sie verschwand genauso schnell wieder, als sich Venetia der Zärtlichkeit erinnerte, die, wie ihr Instinkt sagte, weit entfernt von der flüchtigen Lust eines liederlichen Mannes war. Das sonderbare Gefühl war grundlos, entweder den irrationalen Zweifeln eines ermüdeten Gehirns entsprungen oder der abergläubischen Angst der Menschen vor den unbekannten boshaften Göttern, deren Spaß es ist, das Glück der Sterblichen zunichtezumachen.
    Am Morgen ließen diese Ängste nach. Die Nacht war stürmisch gewesen. Als Venetia von ihrem Fenster aus auf die welken Blätter hinausblickte, die in Streifen über den Rasen geweht wurden, dachte sie, es müssten das traurige Heulen des Windes und die Regenschauer gewesen sein, die gegen die Fensterscheiben schlugen, was sie wach gehalten und sie dazu verführt hatte, morbiden Gefühlen nachzuhängen.
    Damerei würde nach Undershaw kommen, und das nächtliche Bedrücktsein war nichts als düstere Fantasterei gewesen, der Müdigkeit durch die Elemente aufgezwungen. Dann erinnerte sie sich, dass er gesagt hatte, er müsse sich geschäftlichen Angelegenheiten widmen, die ihn den ganzen Vormittag daheim festhalten würden, und wurde wieder mutlos, bis ihr schließlich einfiel, dass er ja seinen Kommissionär in die Priory berufen hatte. Es war wahrscheinlich ein Rechtsanwalt, und er war bestimmt von London gekommen, um Damerei zur Verfügung zu stehen, und ihm würde sicher auch viel daran liegen, die Angelegenheit, welcher Art auch immer, so schnell wie möglich hinter sich zu bringen. Damerei würde ebenfalls wohl kaum wünschen, ihn länger als ncitig im Yorkshire herumsitzen zu lassen. So redete sie sich den Gedanken aus, dass Damerei, wenn er so sehr in seiner Liebe aufging, wie sie es von ihm annahm, sich durch kein noch so wichtiges Geschäft so viele Stunden lang von ihr fernhalten lassen würde. Aber die Heiterkeit, die sie wie ein warmer Mantel eingehüllt hatte, war aufgestört. Sie entdeckte, dass sie infrage stellte, woran sie bisher noch nie gezweifelt hatte. Es war ihr unmöglich, an irgendetwas anderes als an ihr eigenes Problem zu denken, ihre Ungeduld zu bezähmen oder zu dulden, dass die Bemühungen Mrs. Scorriers oder Mrs. Gurnards in ihr Bewusstsein drangen.
    Der Hof, zu dem sie ritt, lag in einem entfernten Teil des Besitzes. Die Stute war frisch, und wenn auch der Tag trüb war und der scharfe Wind sie daran erinnerte, dass der lieblichste Herbst, dessen sie sich entsinnen konnte, in den Winter hinüberglitt, trug der Ritt viel dazu bei, ihre unerklärliche Bedrückung zu erleichtern. Sic kehrte einige Minuten vor Mittag nach Undershaw zurück und wusste, dass heute kaum eine Chance für Aubrey bestand, ein tete-a-tete zu unterbrechen, weil er zu einem abgelegenen

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