Venezianische Verfuehrung
Gian Domenico Chiesa spielt in einer anderen Liga. Mach dir keine Gedanken. Ich verbuche das Ganze als Ferienromanze und vergesse ihn.“
„Kannst du das?“
Laura zuckte die Schultern. „Mir bleibt nichts anderes übrig.“
„Zimmerservice!“ Gekonnt balancierte Abby früh am nächsten Morgen ein Tablett über die Türschwelle. „Hallo, Schwesterherz. Schön, dass du wieder da bist, und entschuldige, dass ich dich wecke. Ich bin nur kurz hier, um mir eine saubere Schürze zu holen. In einer Stunde ruft die Arbeit.“
Laura setzte sich im Bett auf. „Hallo, Abby. Du musst nicht auch noch mich bedienen. Den Job tust du nachher im Café lange genug.“
„Ich habe gestern gekündigt.“ Lächelnd stellte sie das Tablett auf die Decke. „Du hast sicher schon von Mums Geldsegen gehört. Jetzt kann sie sich den Urlaub mit ihrer Freundin Janet im Lake District gönnen, den sie sich schon so lange gewünscht hat, und ich fliege von meinem Verdienst mit den Kents nach Frankreich. Und du, meine Liebe, kannst dein Erspartes in Zukunft für Orgien ausgeben, anstatt es in meinen Ausbildungstopf einzuzahlen.“
„Was ich ganz bestimmt machen werde. Da drüben auf der Kommode liegen übrigens meine Mitbringsel für dich.“
„Ist Venedig wirklich so traumhaft, wie es immer heißt?“, erkundigte sich Abby, während sie das erste Päckchen öffnete. Momente später streifte sie sich das rote T-Shirt über. „Es ist spitze. Danke, Laura. Ich werde es gleich heute Abend tragen.“
„Findet irgendwo wieder eine Fete statt?“
„Nein, es ist eine Art Date.“ Abby dreht sich vor dem Spiegel. „Na, wie sehe ich aus?“
„Große klasse. Und wer ist der Glückliche?“
„Marcus.“
„Rachels Bruder?“ Laura trank einen Schluck Tee. Sie wollte Abby nicht bevormunden und sie ausdrücklich darauf hin zu weisen, dass Marcus Rechtsreferendar war und eine Nummer zu groß für sie. „Fährt er mit nach Frankreich?“
„Nein. Er hat zwei Karten für ein Open-Air-Konzert. Da Mrs. Kent zu beschäftigt mit den Reisevorbereitungen ist und Rachel klassische Musik verabscheut, hat er mich gefragt, ob ich mitkommen möchte.“
„Dann viel Spaß.“
Am Sonntagabend kehrte Laura in ihre Wohnung zurück, die im ersten Stock einer umgebauten Streichholzfabrik lag. Sie hatte nichts mehr von Domenico gehört – es auch nicht wirklich erwartet, aber insgeheim brennend darauf gehofft. Noch immer hatte sie nicht entschieden, ob sie ihm das Geld schicken sollte. Endlos hatte sie darüber nachgedacht und war nicht sicher, ob er es als weitere Kränkung erleben würde.
Sie kochte sich einen Kaffee und widmete sich dann der Bügelwäsche. Als sie fast fertig war, klingelte ihr Handy. Nur war am anderen Ende der Leitung nicht Domenico, sondern Fen.
„Bist du okay, Laura? Du hast bei meinem Junggesellinnenabschied so müde ausgesehen.“
„Daran war wohl der Jetlag schuld.“
„Nach einem Flug von Venedig? Also ehrlich. Jedenfalls habe ich in der Aufregung total vergessen, dir zu sagen, dass am Freitag der Probelauf für die Hochzeit stattfindet. Kannst du gegen sechs hier sein?“
„Ich werde versuchen, so früh wie möglich in der Bank Schluss zu machen.“
„Super. Du warst gestern ein Schatz, dass du bei dem strömenden Regen den ganzen Abend über die Chauffeurin gespielt hast.“
„Ich nehme meine Aufgaben als Brautjungfer sehr ernst.“
„Ohne dich würde ich die Hochzeit nicht durchstehen.“
„So ein Unsinn. Du brauchst nichts weiter als Joe, der dich am Altar erwartet.“
„Ja, du hast recht. Ich liebe ihn so sehr, dass es wehtut“, erwiderte die Freundin und fragte dann unvermittelt: „In Venedig ist doch nichts passiert, oder? Du bist seit deiner Rückkehr ganz verändert und gedrückt.“
„Es waren herrliche Ferien.“
„Na, wunderbar. Ich hatte nämlich schon Sorge, dass Domenico dich womöglich verschreckt hat.“
„Nein, überhaupt nicht.“ Laura zögerte. Warum sollte sie der Freundin nicht ein wenig mehr berichten. „Er hat später noch bei mir vorbeigeschaut, um sich zu erkundigen, ob ich mit der Unterkunft zufrieden sei. Auch hat er mich zum Essen ausgeführt.“
„Ich bin ganz Ohr. Wie habt ihr euch verstanden?“
„Sehr gut. Obwohl er nichts davon gesagt hat, dass er mit Lorenzo verwandt ist und die Hotels der Forli-Gruppe in Venedig leitet.“
„Warum das denn nicht?“
„Ich schätze, es liegt in der Vergangenheit begründet und hängt mit der Frau zusammen, die ihn für
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