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Venezianische Verlobung

Venezianische Verlobung

Titel: Venezianische Verlobung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicolas Remin
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Vorhängeschloss.
    Tron hatte keinen Zweifel daran, dass sich die Photographien in diesem Koffer befanden.
    Nur: Sollte er versuchen, das Schloss an Ort und Stelle zu öffnen? Etwa mit Hilfe einer Haarnadel? Schon der Gedanke daran war albern. Oder sollte er den Koffer mitnehmen? Ihn über den Hotelflur und die Hintertreppe in die questura schleppen, um ihn dort von einem Spezialisten öffnen zu lassen? Die Antwort lautete: natürlich nicht. Immerhin war es auch denkbar, dass Gutiérrez die Photographien an einem anderen Ort aufbewahrte, und in diesem Fall würde Tron einiges zu erklären haben.
    Er hörte die Schritte erst, als die Person bereits im Empfangszimmer war – hätte er die Tür zum Vorzimmer wieder geschlossen, würde er das Geräusch der Klinke registriert haben. Ohne nachzudenken, ließ Tron sich auf den Boden fallen. Er stieß den Metallbehälter zur Seite, schob sich unter das Bett und hielt den Atem an. Wenn es sich um Gutiérrez handelte, der aus irgendwelchen Gründen misstrauisch geworden war – vielleicht hatte González ja bemerkt, dass er den Schlüssel verloren hatte –, würde er auf jeden Fall unter dem Bett nachsehen.
    Die Schritte näherten sich, hielten inne, und Tron  konnte plötzlich seinen Puls in den Schläfen spüren, schnell und heftig, so als würde jemand mit dem Finger ein hastiges Stakkato auf eine gedämpfte Trommel klopfen. Eine Stim me in seinem Kopf – die Stimme des Botschafters – sagte: Sie wollten sich vergewissern, ob alles seine Ordnung hat? Das wollte ich auch, als González feststellte, dass er seinen Schlüssel verloren hatte. Gibt es einen Grund, aus dem Sie unter meinem Bett liegen, Commissario?
    Dann hörte Tron zu seiner grenzenlosen Erleichterung  eine Frauenstimme auf Venezianisch fluchen und anschlie ßend das Geräusch, mit dem ein Wasserkrug aus Porzellan auf einer Marmorplatte abgestellt wird. Wieder näherten sich die Schritte. Sie kamen unmittelbar vor dem Bett zum Stillstand, und Tron konnte die Spitze eines schwarzen Leinenschuhs unter dem Saum der Tagesdecke sehen. Schließ lich entfernten sich die Schritte. Zweimal schloss sich eine Tür. Tron fragte sich, von wem die Falschinformation stammte, dass die Zimmermädchen keinen Schlüssel zur  Suite des Botschafters besaßen. Ja, richtig – von Spaur. Dem er natürlich geglaubt hatte, weil der Polizeipräsident schon seit Jahren ein Zimmer im Danieli bewohnte.

    «Ich konnte die verdammten Photographien förmlich rie chen», sagte Tron eine Stunde später zu Maximilian.
    Was natürlich Unsinn war. Aber Tron fand, es hörte  sich gut an – Commissario Tron, ein zäher Spürhund,  kurz vor dem Ziel, der dann jedoch auf etwas gestoßen  war, das selbst für seine Zähne zu hart war. Gut auch,  dachte Tron, dass er instinktiv das Wort verdammt benutzt hatte. Das gab dem Einbruch in die Suite des Botschafters schon rein sprachlich den Charakter eines gefährlichen Kommandounternehmens, so als hätte er einen Stoßtrupp  angeführt, der kaltblütig ins Hauptquartier des Gegners eingedrungen war.
    Tron hatte, nachdem der Schock über das Auftauchen  des Zimmermädchens abgeklungen war, das Danieli mit weichen Knien über den Hinterausgang verlassen. Den angeblich vor dem Hotel gefundenen Schlüssel hatte Bossi an der Rezeption abgegeben. Vom Café Oriental aus hatten sie die Novara beobachtet, und kurz nachdem Gutiérrez und González von Bord der Fregatte gegangen waren, hatte sich Tron auf das Schiff begeben.
    Nicht unbedingt mit einer Erfolgsnachricht. Wahrscheinlich, dachte Tron, war er deshalb automatisch in einen Jargon verfallen, der die Vorliebe Maximilians fürs Männlich-Militärische befriedigte. Dieser trug wieder die Uniform eines Konteradmirals, allerdings hatte Tron den Eindruck, dass Maximilian es mit den Adjustierungsvorschriften nicht besonders genau nahm. Die Längsstreifen seiner Uniformhosen schienen, so breit und golden, wie der Erzherzog sie trug, der Phantasie eines Theaterschneiders entsprungen zu sein.
    «Wir könnten es noch einmal versuchen», sagte Maximilian. Der Erzherzog streckte die Hand nach dem Champagnerglas aus, das Beust wieder aufgefüllt hatte – zum dritten Mal innerhalb einer Viertelstunde, wenn Tron richtig gezählt hatte.
    «Und das Vorhängeschloss am Koffer?»
    Diesen Einwand ließ Maximilian nicht gelten. «Ich bin  Ende nächster Woche wieder in Triest», sagte er. «Zusammen mit Gutiérrez.» Er lächelte schmal. «Was der Botschafter noch

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