Venezianische Verlobung
Kleidungsstücken und hastig durchwühlten Kommoden. Auf den zweiten Blick jedoch hatte Tron den Eindruck, dass
derjenige, der die Wohnung Anna Slatapers durchsucht hatte (nachdem er Signora Saviotti den Schädel eingeschlagen hatte), sehr präzise und professionell vorgegangen war.
Sogar ein Teil der hölzernen Wandverkleidung über dem Bett im Schlafzimmer war entfernt worden, um – was auch immer – zu finden. Über das Sofa im Wohnzimmer zog sich ein länglicher Schnitt, aus dem die Wergpolsterung quoll, und auch im Schlafzimmer war die Matratze – ein teures Modell, das wahrscheinlich noch der Erzherzog bezahlt hatte – aufgeschlitzt und ausgeweidet worden.
Signora Saviotti lag ziemlich genau an der Stelle, an der sie vor vierzehn Tagen Anna Slataper gefunden hatten. Sie wurde von einem Satz spiegelverstärkter Petroleumlampen beleuchtet, die Bossi mit großer Sorgfalt halbkreisförmig angeordnet hatte, so als wollte er auch bei dieser Gelegenheit auf den beschämenden Umstand hinweisen, dass die venezianische Polizei immer noch nicht in der Lage war, Tatortphotographien anzufertigen.
Hatte Anna Slataper selbst im Tod noch bella figura gemacht, so war Signora Saviotti jetzt endgültig auf das kümmerliche Wesen zusammengeschnurrt, das sie wohl auch im Leben gewesen war. Der Schlag hatte sie mit großer Wucht auf die linke Schläfe getroffen und ihren mageren Körper auf die hölzernen Dielen geschleudert. Vermutlich hatte sie sofort das Bewusstsein verloren. Tron hielt es für unwahrscheinlich, dass sich Signora Saviotti gewehrt hatte. Jetzt lag sie, das Gesicht zu einer bizarren Grimasse verzerrt, auf der linken Seite und hatte die Knie in einem letzten Reflex zum Körper gezogen. Der rechte Arm ruhte leicht verdreht auf ihrer Hüfte, ihre spinnenartigen Finger waren nach oben gereckt, so als würde sie noch im Tod die Hand nach etwas ausstrecken.
Kurioserweise hatte der Schlag die sorgfältig hochges teckte Frisur Signora Saviottis weitgehend intakt gelassen.
Das gute Dutzend Klemmen und Klammern, das die Haare der Signora an ihrem Schädel fixierte, hatte der Erschütterung widerstanden, und so hatte sich der kunstvoll geflochtene Dutt nicht gelöst.
Als Tron in die Knie ging und sich dazu zwang, die Wunde genau zu betrachten, sah er in der blutverkrusteten Vertiefung neben dem Ohr zackige Knochensplitter. Ob das einen Rückschluss auf die Art des stumpfen Gegenstandes zuließ, mit dem der Mörder Signora Saviotti erschlagen hatte? Wahrscheinlich würde Dr. Lionardo einiges dazu sagen können.
Tron schwankte ein wenig, als er sich wieder erhob, was vermutlich mit dem schottischen Cognac zusammenhing, den er zum Haggis konsumiert hatte. Zugleich aber registrierte er, dass sein Verstand vollständig klar war – fast zu klar für das, was er hier vor Augen hatte.
Er sah Bossi an. «Wer hat sie gefunden?»
Bossi warf einen Blick auf seinen Notizblock, den er seit einiger Zeit immer mit sich führte. «Eine Nachbarin», sagte er. «Die Tür stand auf. Sie hat sich darüber gewundert und den Kopf in die Küche gesteckt.»
«Hat sie die Wohnung betreten?»
Bossi schüttelte den Kopf. «Das brauchte sie auch nicht, um zu erkennen, dass Signora Saviotti tot war. Sie hatte die Signora am Abend zuvor noch gesehen.»
«Wann?»
Wieder konsultierte Bossi sein Notizbuch. «Nach der Abendmesse auf dem Hof.»
«Also ist sie irgendwann heute Nacht ermordet worden.»
«Es sieht ganz danach aus.»
«Türen? Fenster?», erkundigte sich Tron.
«Unbeschädigt.»
«Was hat Signora Saviotti in der Wohnung von Anna Slataper gemacht?»
«Die Nachbarin sagte, Signora Saviotti wollte hier so lange übernachten, bis Ende des Monats der Bruder von Anna Slataper aus dem Friaul kommt und die Wohnung auflöst. Sie wollte auf die Sachen aufpassen.»
«Sie hat hier gewohnt? »
«Mehr oder weniger.»
«Hat irgendjemand etwas beobachtet?»
«Ein Mann, der die Wohnung am sottoponevo bewohnt, hat gesehen, wie ein Priester den Hof verlassen hat. Er sagt, es sei kurz nach elf gewesen.»
«Er hat einen Priester gesehen?»
Bossi nickte. «Schwarzer Mantel, schwarzer runder Hut und unter dem Mantel eine Soutane.»
Tron machte ein skeptisches Gesicht. «Das alles hat er bei Nebel und Dunkelheit erkannt?»
«Der Priester trug eine Blendlaterne.»
«Ein Priester, der gerade ein Verbrechen begangen hat, läuft mit einer Blendlaterne herum, die seine Soutane beleuchtet?»
«Vielleicht
Weitere Kostenlose Bücher