Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Venezianische Verlobung

Venezianische Verlobung

Titel: Venezianische Verlobung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicolas Remin
Vom Netzwerk:
nicht weiß. Sie haben also mindestens achtundvierzig Stunden Zeit für das Schloss.»
    Falls ihm kein Zimmermädchen in die Quere kam,  dachte Tron. Ob er erwähnen sollte, dass die Schlüsseltheorie, die er verbreitet hatte, auf einer Falschinformation Spaurs beruhte? Nein, lieber nicht. Aus Maximilians Blick winkel könnte diese Bemerkung als Feigheit vor dem Feind ausgelegt werden.
    Beim Aufstehen stellte Tron eine gewisse Steifheit in  seinen Gelenken fest. Offenbar steckte ihm der Schock, den das Zimmermädchen ihm versetzt hatte, noch in den Gliedern.

39

    Spaur lächelte Tron über den Tisch hinweg an, als der befrackte Kellner die silberne Haube von der Terrine entfernte und einen Schritt zurücktrat.
    « Haggis » , sagte der Polizeipräsident fröhlich. Die grüne Halsbinde mit den roten Punkten gab seiner Erscheinung eine künstlerische Note.
    «Ein schottisches Gericht», fuhr Spaur fort. «Herz, Lunge und Leber in einen Hammelmagen gestopft und gekocht.» 
    Er neigte gütig den Kopf mit den haselnussbraunen Haaren.
    «Ich dachte, ich biete Ihnen mal etwas Exotisches.»
    Was er – genau genommen – bereits jeden Montag tat,  denn einmal in der Woche saßen Tron und der Polizeiprä sident im Speisesaal des Danieli und verspeisten Beuscherl – trippa, Kutteln, Innereien. Vermutlich ahnte Spaur inzwischen, dass ihre angebliche gemeinsame Vorliebe für Beuscherl auf einem Missverständnis beruhte, hatte aber beschlossen, dass es ihm egal war. Tron fragte sich, ob er Signorina Violetta ebenfalls dazu nötigte, einmal in der Woche Salonbeuscherl und Kuttelgeröstetes zu verspeisen. Nein – wahrscheinlich nicht.

    Da der morgendliche Nebel immer noch dicht und un durchdringlich über der Stadt hing, hielt sich die Neigung der Hotelgäste, das Haus zu verlassen, in Grenzen. Der Speisesaal des Danieli war bis auf den letzten Tisch besetzt, und Tron registrierte die übliche Ansammlung von vornehmen Fremden, dazu ein Dutzend Generalstabsoffiziere aus Verona, die immer einen Grund fanden, ein paar Tage auf Kosten der Armee in Venedig zu verbringen.
    Der Haggis bestand aus einem halben Dutzend handtellergroßer, rötlich schimmernder Gebilde, die dampfend in einem Bett von Kartoffelbrei lagen, der mit Schnittlauch und Petersilie dekoriert war. Die Gebilde rochen muffig und scharf zugleich und erinnerten Tron an etwas, auf das er nicht kam, aber auch nicht unbedingt kommen wollte.
    Spaur stopfte sich die Serviette in den Kragen und ergriff den Servierlöffel. Er sah Tron fragend an. «Hungrig?»
    Die übliche Frage und völlig rhetorisch. Denn bevor  Tron antworten konnte, plumpsten – Klatsch! – drei der  Gebilde auf seinen Teller.
    «Guten Appetit, Commissario.» Spaur vertauschte den  Servierlöffel mit der Gabel.
    Tron griff ebenfalls nach seiner Gabel. «Guten Appetit, Herr Baron.»
    Sie begannen schweigend zu essen. Der Haggis, fand Tron, hatte eine Konsistenz, die irgendwo zwischen zähem Rindfleisch und panna cotta lag – sie war nicht gleichmäßig, sondern hier zäh, dort weich. Leber, Herz und Lunge hätte, nach stundenlangem Kochen, allenfalls noch Dr. Lionardo identifizieren können. Ordentlich durchgemischt, konnte sich natürlich alles Mögliche in dem Hammelmagen befinden, und Tron überlegte, was die sparsamen Schotten wohl sonst noch in den Haggis stopften. Nein – sie würden be stimmt keine … Oder würden sie doch … Augen?
    Die Stimme Spaurs riss ihn aus seinen selbstquälerischen Betrachtungen.
    «Die Eingabe, die ich direkt nach Wien geschickt hatte», sagte Spaur, «ist zurückgekommen.» Er sah kurz von seinem Teller auf, dann versenkte er die Gabelzinken in ein Stück Haggis.
    «Und warum?»
    «Weil der Dienstweg keine direkten Berichte der questura an die kaiserliche Kanzlei vorsieht. Alle Anfragen oder Berichte von lokalen Polizeibehörden im Veneto sind zunächst an die örtlichen Militärorgane zu richten.»
    «Wie hatten Sie Ihren Bericht geschickt, Herr Baron?»
    «Als Kurierpost direkt nach Wien. Aber die Kurierpost  nach Wien macht automatisch einen Umweg über das  Hauptquartier in Verona. Dort wird die Post, die aus dem Veneto an die kaiserliche Kanzlei versandt wird, gesichtet und aufbereitet.»
    «Und was haben die gemacht?»
    «Eine Anfrage an die örtliche Kommandantur gerichtet.
    Und die hat mich darauf hingewiesen, dass ich erstens meine Eingabe über die venezianische Kommandantur hätte schicken müssen und dass zweitens der Begleitantrag

Weitere Kostenlose Bücher