Venezianische Verlobung
mitgebracht hätten.»
Tron hoffte, dass sein Lächeln Bossi beruhigte. «Nur um einen Priester zu verhaften?»
«Wenn Calderón den Kapitänleutnant erschossen hat, dann hat er nichts mehr zu verlieren», beharrte Bossi.
«Aber warum sollte Calderón ihn erschießen?»
«Weil er …»
Der Schuss, den sie beide hörten, kam aus Puccis Wohnung, und es überraschte sie nicht, dass ein paar Augenblicke später ein zweiter Schuss fiel.
«Wenn Calderón seine Waffe hebt», sagte Tron zu Bossi, während sie sich in Bewegung setzten, «dann schießen Sie ohne Warnung. Ich will den Burschen am Boden haben, bevor er abdrücken kann.»
«Gütiger Himmel!», rief Bossi.
Tron hatte die Tür des Zimmers aufgestoßen, und Bossi stand mit gezogener Dienstwaffe dicht hinter ihm. In der Mitte des Raumes, bleich wie der Tod und in der Haltung einer Marionette, deren Schnüre durchtrennt worden waren, lehnte der Kapitänleutnant mit geschlossenen Augen an einem Tisch. Sein linker Ärmel war über dem Ellenbogen zerfetzt, doch Tron konnte kein Blut erkennen. Beust zitterte so stark, dass die Kaffeetasse, die auf dem Tisch stand, auf ihrer Untertasse klirrte. Er hatte die Lippen zusammengepresst und stöhnte.
Drei Schritte von ihm entfernt, direkt vor dem einzigen Fenster des Raumes, lag Pater Calderón bewegungslos auf dem Rücken. Tron wusste sofort, dass es überflüssig war, nach dem Puls des Priesters zu tasten. Calderón war tot.
Der Schuss aus dem Revolver, den Beust immer noch in der Hand hielt, hatte Pater Calderón in die Brust getroffen.
Dessen rechte Hand hielt seinen Revolver, den er auf Beust abgefeuert hatte, ebenso umklammert. Selbst der Zeigefinger des Paters lag noch auf dem Abzug. Sein linkes Auge stand ein wenig auf – so als würde er blinzeln. Zugleich waren seine Mundwinkel leicht nach oben gezogen, was Pater Calderón den völlig unpassenden Gesichtsausdruck eines Mannes verlieh, der gerade einen gewagten Scherz erzählt hatte.
«Commissario Tron?» Der Kapitänleutnant, der Tron offenbar erst jetzt bemerkt hatte, hob schwerfällig den Kopf und riss die Augen weit auf, so als würde ein völlig Unbekannter vor ihm stehen. Tron konnte sehen, dass er unter Schock stand und offenbar im Moment die Orientierung verloren hatte.
Er sagte: «Sie sind in Sicherheit, Herr Kapitänleutnant.
Wir hatten verabredet, dass wir eingreifen, wenn …»
Beust unterbrach Tron im nörgelnden, leicht stockenden Tonfall eines Mannes, der kurz vor einem Nervenzusam menbruch steht. «Ja, natürlich. Ich weiß.» Er stöhnte wieder und presste seine Hand auf die abgefetzte Stelle an seinem linken Oberarm. Dann schüttelte er fassungslos den Kopf.
«Mein Gott, es ging alles so schnell. Ist Pater Calderón tot?»
«Ich fürchte», sagte Tron.
«Das wollte ich nicht, Commissario.» Beust schloss die Augen und ließ seinen Revolver polternd zu Boden fallen.
«Was genau ist passiert? Sie sind höchstens fünf Minuten in der Wohnung gewesen. Wie hat Pater Calderón reagiert, als er Sie gesehen hat? Immerhin hatte er González erwartet.»
Die Stimme des Kapitänleutnants hörte sich brüchig an.
«Er sagte, dass ich hereinkommen soll und dass …»
«Und dass?», fragte Tron ruhig.
Beust starrte auf den Fußboden. «Dass er eine Lösung für unser Problem hat. Er war erstaunlich gelassen. Machte nicht einmal einen überraschten Eindruck.»
«Was ist dann passiert?»
«Der Pater hat mich höflich gebeten, Platz zu nehmen.
So als würde ich ihm einen Kaffeebesuch abstatten.» Der Kapitänleutnant stieß ein kurzes, hysterisches Lachen aus.
«Dann hat er mich gefragt, was ich will.»
«Und was haben Sie gesagt?»
«Dass ich Bescheid wüsste. Über alles.»
«Wie hat er darauf reagiert?»
«Er hat nur langsam genickt. So wie jemand, der mit einer Situation konfrontiert wird, die er seit langem erwartet hat.» Beust sah Tron mit erhobenen Augenbrauen an. «Ich weiß nicht, ob wir das als Geständnis werten können.»
«Haben Sie ihm den Vorschlag gemacht, über den wir gesprochen hatten? Calderón gibt uns die Photographien, unterschreibt ein Geständnis, und wir verzichten darauf, ihn vor Gericht zu bringen?»
«Ja, natürlich.»
«Und was hat er gesagt?»
«Dass es hier nicht um sein persönliches Schicksal gehe, sondern einzig und allein um die Ehre des Herrn.» Beust verstummte einen Moment lang. «Und dass er den Tod nicht furchte, weil er wisse, dass das Paradies auf ihn wartet.
Und dass
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