Venezianische Verlobung
ich dir erst mal einen … Kakao mache?» Er lächelte vergnügt. Als er ihre überraschte Reaktion sah, setzte er noch eins drauf, indem er sie fragte: «Mit Milch oder mit Wasser?»
Jesus, schon das Angebot, einen Kakao zu trinken, kam völlig unerwartet. Die Frage, ob sie ihren Kakao mit Milch oder mit Wasser haben wollte, brachte sie völlig aus dem Konzept. Sie schluckte. «Man kann Kakao auch mit Milch machen?»
«Man kann auch Sahne nehmen.» Signor da Ponte machte ein triumphierendes Gesicht. «Früher nahm man im Palazzo Tron nur Sahne. Aber heute machen wir ihn normalerweise mit Wasser. Nur unseren Gästen servieren wir den Kakao mit Milch.»
«Ich habe keine Ahnung, wie Kakao mit Milch schmeckt.»
Signor da Ponte dachte kurz nach, wobei er wieder seinen Kopf zur Seite neigte. Dann sagte er: «Soll ich dir etwas verraten?» Er musterte sie neugierig. «Wir haben gar keine Milch», gestand er. «Wir haben hier so gut wie nie welche.»
Er brach in Gelächter aus. Dann stand er auf, um, immer noch lachend, das Wasser für den Kakao aufzusetzen.
Allerdings, stellte Angelina Zolli fest, war der mit Wasser zubereitete Kakao, den ihr Signor da Ponte servierte (nachdem sie einen Teil ihres Geldes empfangen und quittiert hatte), der beste, den sie jemals getrunken hatte – was nicht viel besagte, denn sehr viele Kakaos hatte sie in ihrem Leben noch nicht getrunken.
Angelina Zolli nippte an ihrem Kakao und ließ ihre Blicke unbefangen (es war unmöglich, sich in Signor da Pontes Gegenwart befangen zu fühlen) durch die riesige Küche schweifen – über den verräucherten Herd, neben dem sich Feuerholz stapelte, über die Fensterscheiben, von denen eine mit einem Stück Pappe geflickt worden war. Für einen Palazzo … Sie war sich nicht sicher, ob ihre Frage vorlaut oder dumm war – die Frage platzte einfach aus ihr heraus: «Ist das hier der Palazzo Tron?»
Einen Moment lang schien Signor da Ponte ein wenig irri tiert zu sein. Er griff nach seinem Weinglas und hob die Augenbrauen. «Ja, sicher», antwortete er. «Warum fragst du das?»
«Weil ich …» Da sie nicht wusste, wie der Satz weiter gehen sollte, brach sie ab und schwieg verlegen.
Signor da Ponte nahm einen Schluck aus seinem Glas und sah sie an. «Weil du dir den Palazzo Tron prächtiger vorgestellt hast?»
Sie nickte.
Signor da Ponte fing wieder an zu lachen. «Wir sind hier nur im Zwischengeschoss, Angelina. Im gemütlichen Teil des Palazzo.» Offenbar hielt auch er die unaufgeräumte Küche mit dem ungefegten Fußboden und dem schmutzigen Geschirr für gemütlich. «Die Salons», fuhr er fort, «sind direkt über uns.» Er wies mit dem Daumen zur Decke. «Wenn du Lust hast, zeige ich dir, bevor du gehst, noch den Ballsaal.»
Er dachte kurz nach. «Ich glaube nicht, dass die Contessa etwas dagegen hat.»
«Er schläft», sagte Signor da Ponte mit leiser Stimme und legte den Zeigefinger auf seine Lippen.
Sie waren nach zwei weiteren Kakaos ein Stockwerk nach oben gestiegen und standen jetzt in einem dämmrigen Raum, dessen Ausdehnung wegen der zahlreichen Spiegel an den Wänden schwer zu bestimmen war. Es roch typisch venezianisch, nach ungelüfteter, feuchter Kälte, aber in diesen Geruch mischte sich ein leichter, kaum wahrnehmbarer Duft nach Honig.
Einen Moment lang war Angelina Zolli kurz davor zu fragen, wer da schlief, aber dann wurde ihr klar, dass Signor da Ponte den Ballsaal selber meinte. Natürlich – der Ballsaal schlief, ruhte sich aus, weil jahrhundertelang in ihm gelacht, geflirtet und getanzt wurde und er jetzt alt und müde war.
Signor da Pontes Bemerkung, die ihr eben noch total absurd vorgekommen war, erschien ihr auf einmal völlig einleuchtend.
Angelina Zolli drehte sich langsam um ihre Achse, fasziniert von ihren eigenen Spiegelbildern, die ihr mit jeder Drehung vor einem anderen Hintergrund entgegenblickten.
Direkt über ihr hing ein riesiger Kronleuchter aus Glas, an der Decke waren gemalte Wolken zu erkennen, über die eine Schar von Engeln flog. Sie versuchte sich vorzustellen, wie der Ballsaal aussah, wenn er voller festlich gekleideter Menschen war. Gab es Musik? Natürlich – es wurde ja getanzt. Und die Beleuchtung im Ballsaal? Benutzten sie etwa gewöhnliche Petroleumlampen oder …
Als hätte er ihre Gedanken gelesen, sagte Signor da Ponte lächelnd: «Wir nehmen Kerzen.»
«Wie viele Kerzen sind das dann?» Das interessierte sie, denn sie wusste, dass gute Kerzen teuer waren. Im
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