Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Venezianische Verlobung

Venezianische Verlobung

Titel: Venezianische Verlobung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicolas Remin
Vom Netzwerk:
Eingang, der ebenfalls von einem heraldischen Löwen bekrönt war, entdeckte Angelina Zolli eine Reihe von Messingschildern. Als sie näher trat, las sie: Tron, dann Agnelli, Volpi, Widman und Semazzano – was darauf schließen ließ, dass die Trons sich auch diesen Gebäudeteil mit Untermietern teilten.
    Angelina Zolli stieß die Tür auf und trat ein. Und hier endlich, selbst in dem trüben Herbstlicht, das durch die Fenster des Treppenhauses sickerte, wirkte der Palazzo Tron tatsächlich wie ein Palast. Die Eingangshalle mit ihrem Fußboden aus verschiedenfarbigen Marmorplatten war überraschend weitläufig. Direkt vor ihr, in zehn Schritten Entfernung, konnte sie eine große, zu beiden Seiten von mächtigen Admiralslaternen flankierte Tür erkennen, und rechts von der Tür begannen die in splendider Langsamkeit sich hebenden Stufen. Den großartigen Eindruck störte auch nicht, dass dem dicklichen Marmorengel am Auslauf  des Treppengeländers ein Arm fehlte und dass große Broc ken aus den Stufen, die Angelina Zolli nun vorsichtig nach oben stieg, herausgebrochen waren. Es störte ebenso wenig (na, ja – vielleicht ein bisschen), dass in einer runden Wandnische auf der ersten Treppenkehre ein eiserner Putzeimer, ein Handfeger und ein Besen standen.
    Dass allerdings auf dem Putzeimer ein großer Zettel  klebte, der besagte: Eimer und Besen gehören den Trons, war   etwas ernüchternd, aber es passte wiederum zu dem Schild aus brauner Pappe, das auf der nächsten Treppenkehre neben einer zerkratzten Holztür befestigt war, und auf dem zu lesen stand: Tron.

    Angelina Zolli musste mehrmals klopfen, bis sich die Tür öffnete und ein hoch gewachsener Mann vor ihr stand, dessen weißes Haar im Licht der Petroleumlampe an der Decke glänzte. Der Mann trug eine Schürze über einer Art Dienerlivree und sah mit traurig herabgezogenen Mund winkeln auf sie herab: «Du bringst die Rechnung für das Brennholz, richtig?» Seine Stimme, fand Angelina Zolli, klang ein wenig resigniert – so als wäre etwas eingetreten, das er seit längerer Zeit befürchtet hatte. Der Mann erschien ihr uralt, aber er hielt sich aufrecht, und seine Augen waren warm und freundlich.
    Angelina Zolli schüttelte energisch den Kopf. «Nein,  Signore. Ich bin …»
    Der Mann unterbrach sie, indem er den Arm hob. «Sag  es nicht. Du bist …» Er kniff die Augen zusammen und  schien einen Augenblick lang nachzudenken. Dann lächelte er und sagte: «Angela Zolli. Richtig?»
    Sie korrigierte ihn. « Angelina Zolli, Signore.»
    «Ah, richtig. Angelina Zolli. Entschuldige.» Er trat beiseite, wobei er eine kleine, joviale Verbeugung andeutete.
    «Komm rein.»
    Die Küche, in die sie der Mann führte, hätte bei Signora Nachwischen auf der Stelle einen Schreikrampf hervorgerufen – bei dieser Vorstellung musste Angelina Zolli ein Kichern unterdrücken. Den Raum als unaufgeräumt zu bezeichnen wäre stark untertrieben gewesen. Der Fußboden, das sah sie mit Kennerblick sofort, war seit mindestens drei   Tagen nicht mehr gefegt und gewischt worden. Auf einem  niedrigen Regal, das rechts neben einem riesigen Herd  stand, stapelten sich schmutzige Teller, Tassen und Töpfe.
    Der große Tisch in der Mitte der Küche war zur Hälfte von Zeitungen bedeckt, auf der anderen Seite standen eine Flasche und ein halb gefülltes Glas, daneben lag aufgeschlagen die Gazzetta di Venezia. Aber im Gegensatz zum Treppenhaus und zum Flur (und zur Küche von Signora Nachwischen ) war es hier herrlich warm. Es war die wunderbarste Küche, die Angelina Zolli jemals gesehen hatte.
    «Ich bin Alessandro da Ponte», sagte der Mann, nachdem  er seine Schürze abgenommen und auf einen Stuhl geworfen hatte. Er zog einen anderen Stuhl heran und lud sie mit einer Handbewegung ein, Platz zu nehmen. «Und wenn die Köchin nicht da ist, bin ich hier für alles zuständig», fügte er hinzu. Er warf einen gequälten Blick auf den Stapel mit dem schmutzigen Geschirr und stieß einen Seufzer aus.
    «Auch für den Abwasch.» Er sah sie an. «Du möchtest den Commissario sprechen?»
    Sie nickte. «Ist der Commissario hier?»
    Signor da Ponte schüttelte bedauernd den Kopf. «Er ist  in der questura. Aber du willst dir» – seine Stimme nahm einen verschwörerischen Ton an – «wahrscheinlich ein bisschen von deinem Geld abholen. Der Conte hat mir von dir erzählt. Ich kann das Geld aus seinem Zimmer holen.
    Was hältst du davon» – er neigte den Kopf nach links –,  «wenn

Weitere Kostenlose Bücher