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Venezianische Verlobung

Venezianische Verlobung

Titel: Venezianische Verlobung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicolas Remin
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klar, dass er keine weiteren Auskünfte mehr geben  würde.
    Sie stiegen in die Gondel, bewegten sich den Rio  dell’Orto hinab in östliche Richtung und wandten sich am Canale della Misericordia nach rechts. Nach etwa fünf Minuten, dort, wo der Canale della Misericordia sich verzweigte, machte die Gondel wieder kehrt. Tron vermutete, dass der Mann, mit dem er sich treffen würde, irgendwo im Dunkeln gestanden hatte, um festzustellen, ob er tatsächlich allein gekommen war und ob ihm jemand folgte.
    Wie sich herausstellte, war das Ziel ein verwilderter Garten am Rio di Santa Caterina, der an zwei Seiten von nied rigen Mauern begrenzt war. Hinter dem Garten war ein  schwach erleuchteter Eingang zu sehen, aus dem undeutlich Stimmengewirr und Musik drangen. Ein paar Leute standen vor der Tür und rauchten. Tron, der aus der Gondel gestiegen war und auf einem wackeligen Anleger aus Holz stand, drehte sich um. «Wie finde ich den Signore, der mir die Photographien verkauft?»
    Der Gondoliere lächelte. «Überhaupt nicht. Er findet  Sie.»
    «Wie?»
    «Hiermit.» Der Gondoliere bückte sich, nahm ein Bündel vom Boden der Gondel und streckte es Tron entgegen.
    «Tragen Sie diese Maske und diesen Umhang. Der Signore  wird Sie ansprechen.»
    Tron sah, dass es sich um einen dominoähnlichen Umhang aus grobem Leinen handelte. Die Maske war eine  dunkle, von einem samtigen Stoff überzogene bautta mit hell abgesetzten Rändern. Er seufzte und schlang sich den Umhang um die Schultern, während er auf das Gebäude zulief. Im Vestibül setzte er die Maske auf. Nach einem Spiegel, in dem er sich betrachten konnte, suchte er vergeblich. Aber die Maske, fand er, roch überraschend angenehm – nach Marzipan und nach einem Parfum, an dessen Namen er sich nicht erinnern konnte.

    Billig, dachte Tron, als er den Raum, in dem der Ball stattfand, betreten hatte. Den Fußboden aus unsauber zusammengefügten Steinplatten bedeckten Sägespäne, und über die weiß gekalkten Wände waren nachlässig rötliche Stoffbahnen drapiert. Anstelle von Kerzen (Tron konnte sich keinen venezianischen Maskenball ohne Kerzen vorstellen) erhellten an den Deckenbalken aufgehängte Petroleumlam pen den Raum. Offenbar standen sie in einem ehemaligen  Lager, denn der Raum war sehr groß, hatte aber eine im  Verhältnis zu seiner Größe niedrige, von schwärzlichen  Holzbalken getragene Decke.
    Der Ball war nicht überlaufen, aber doch so gut besucht, dass das Stimmengewirr die Musik übertönte, die ein kleines Salonorchester erzeugte. In der Mitte des Raumes tanzten zwei Dutzend Paare einen langsamen Walzer, die übrigen Gäste standen dicht gedrängt an den Wänden und unterhielten sich, wobei fast alle Herren Zigarren oder Zigaretten rauchten, sodass der Qualm dick unter den Balken hing.
    Der größte Teil der Gäste hatte das Gesicht mit bauttas verdeckt, mit Halbmasken aus Pappmaché und Leinen, die den Mund frei ließen. Die Herren trugen Kniebundhosen,  Perücken und Zierdegen, die Damen Contouches und  Reifröcke im Stil des achtzehnten Jahrhunderts. Das alles wirkte nur auf den ersten Blick authentisch, denn auf den zweiten Blick sah man, dass es sich um die Sorte von Kostümen handelte, die überall preiswert zu mieten waren.
    Tron durchquerte den Raum mehrmals in verschiede nen Richtungen, blieb des Öfteren stehen, aber das, was er erwartet hatte, nämlich, dass ihn jemand ansprach, geschah nicht. Schließlich machte er vor einem roh zusammengezimmerten Holztresen in der äußersten Ecke des Raumes Halt, unschlüssig, ob er sich ein Glas Champagner leisten sollte oder nicht.

    Er bemerkte die Frau mit der blonden Perücke erst, als sie unmittelbar neben ihm stand und ihn von der Seite ansah.
    Sie trug einen roten Umhang, darunter ein unförmiges  schwarzes Kleid, das nichts von ihrer Figur erkennen ließ,  und – was ungewöhnlich war – keine bautta, sondern eine Maske, die ihr Gesicht vollständig bedeckte.
    Dass etwas mit der Frau nicht stimmte, begriff Tran, als sie die rechte Hand hob und er auf ein ziemlich kräftiges Handgelenk blickte, das sich zwischen dem Saum des Handschuhs und dem Ärmel des Kleides zeigte. Erst als die Frau mit dem kräftigen Handgelenk ihn ansprach, begriff er.
    Die Stimme klang hell und ein wenig affektiert. «Ich  wollte sicher sein, dass Sie allein kommen, Signore», sagte der Mann. Seine Maske war weiß, mit aufgemalten schwarzen Augenbrauen, schwarz umrandeten Augen und einer stilisierten

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