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Venezianische Verlobung

Venezianische Verlobung

Titel: Venezianische Verlobung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicolas Remin
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hörbar durch die Nase aus.
    Tron schüttelte den Kopf. «Erst wenn ich die Photographien gesehen habe.»
    Einen Moment lang sah ihn der Mann ruhig an. Dass  Tron seine Augen nicht erkennen konnte, sondern in zwei schwarze Höhlen blickte, in denen das Licht der Petroleumlampe funkelte, machte ihn plötzlich nervös. Schließ lich sagte der Maskierte: «Warten Sie hier.»
    Er verschwand durch eine Tür auf der anderen Seite des  Raumes, und zwei Minuten später kam er wieder zurück,  in der Hand einen braunen Umschlag. Dann trat er an den Tisch, öffnete den Umschlag und legte die Photographien aufgefächert auf die Tischplatte, dicht neben die Petroleumlampe. Es handelte sich um sechs Photographien, die immer das Gleiche zeigten: den unbekleideten, schlafenden Maximilian und neben ihm Anna Slataper, ebenso unbekleidet wie der Erzherzog, aber wach und mit laszivem Gesichtsausdruck in die Kamera blickend.
    Tron richtete sich auf und nickte. Es war nicht nötig, die Photographien in die Hand zu nehmen. Aber waren das sämtliche Abzüge? Vermutlich nicht, dachte er. Wahr scheinlich hatte der Bursche ein oder zwei Photographien zurückbehalten – für alle Fälle. Was bedeuten könnte, dass er leichter bereit sein würde, einen Abschlag von tausend Lire zu akzeptieren.
    Tron griff in seine Tasche und warf vier der kleinen Lederbeutelchen auf den Tisch. Dann sah er zu, wie der Mann jeden einzelnen Beutel öffnete, seinen blitzenden  Inhalt auf den Tisch schüttete und wieder im Beutel verstaute. Die weiße Maske des Mannes reflektierte das Licht der Petroleumlampe und schien auf dem schwarzen Grund des Zimmers zu schweben. Nachdem der Mann jeden Beutel bedächtig geprüft hatte, schüttelte er den Kopf, blickte auf und sagte traurig: «Das sind leider nur viertausend Lire.»
    Die aufgemalte Träne auf seiner linken Wange passte zu  diesen Worten.
    «Viertausend Lire in Gold sind eine Menge Geld.» Tron  zuckte die Achseln. Dann fügte er höflich hinzu: «Seine Durchlaucht bedauert außerordentlich, dass es unmöglich war, die vollständige Summe zur Verfügung zu stellen.»
    Für jemanden, der um tausend Lire betrogen werden  sollte, blieb der Mann bemerkenswert gelassen. «Sie bringen mich in Verlegenheit, Signore», sagte er.
    Tron lächelte. «Das war nicht meine Absicht. Aber die  finanziellen Verhältnisse Seiner Durchlaucht sind …»
    Der Mann schnitt Tron mit einer energischen Bewegung das Wort ab. Diesmal klang seine Stimme hart und  entschlossen. «Ist Ihnen klar, dass unsere Vereinbarung damit hinfällig geworden ist?»
    Vereinbarung? Beeindruckend, dachte Tron, mit welcher Unverfrorenheit der Bursche seine Erpressung eine Vereinbarung nannte. Tron zuckte mit den Achseln. «Ich sagte es Ihnen bereits. Viertausend Lire sind viel Geld.»
    Geld, das der Bursche, der immer noch seine blonde Perücke trug, zweifellos gleich mitnehmen würde. Er brauchte nur die Hand auszustrecken, den Beutel mit dem Geld einzustecken und wieder zu verschwinden. Doch stattdes sen drehte er sich zur Seite und griff unter seinen Umhang.
    Fast im selben Moment sah Tron, wie etwas in seiner Hand aufblitzte. Dann hörte er das metallische Klicken, mit dem der Hahn der Derringer gespannt wurde. Eine Frauenwaffe – es passte alles zusammen.
    «Treten Sie einen Schritt zurück, Signore.»
    Tron machte vorsichtshalber einen Schritt nach hinten.
    Er sah, wie der Mann seine linke Hand nach den Geldbeu teln ausstreckte und sie unter seinem Umhang verstaute.
    Dann griff der Mann nach den Photographien, die er ebenfalls unter seinem Umhang verschwinden ließ.
    Plötzlich war Tron kalt. Und mit der Kälte, die durch  die Sohlen seiner Stiefel in seine Beine kroch, kam ein anderes, noch unangenehmeres Gefühl: das Gefühl, dass er sich verrechnet hatte und hier etwas fürchterlich schief lief.
    «Diese Photographien gehören mir», sagte er matt.
    Das Lachen des Mannes klang abrupt und atemlos. «Sie  haben versucht, mich zu betrügen, Signore. Ich mache jetzt dasselbe.»
    Eine Derringer war keine extrem gefährliche Waffe, aber aus vier, höchstens fünf Schritt Entfernung auf seine Stirn abgefeuert, dachte Tron, würde sie ihn vermutlich sofort töten. Er fragte, einfach nur, um Zeit zu gewinnen, denn die Antwort kannte er bereits: «Was soll das heißen?»
    Der Mann zuckte mit den Schultern. «Dass ich Sie nun  mit den Photographien und den viertausend Goldlire verlasse.»
    «Und was geschieht mit mir?»

    Der Mann gab sich nicht

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