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Venezianische Verlobung

Venezianische Verlobung

Titel: Venezianische Verlobung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicolas Remin
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nebeneinander standen.
    Das Zweite war die Unverfrorenheit, mit der Pater Calderón ihm wieder die linke Hand entgegenstreckte – seine rechte Hand schien mit dem Rosenkranz verwachsen zu sein.
    Tron sah die Principessa an, die wiederum zu ihm auf blickte. Ihr Stirnrunzeln war ein Signal für etwas, das er nicht verstand, und er wünschte sich plötzlich, dass er dieses Gespräch nicht führen müsste – oder dass er es bereits hinter sich hätte.
    «Ich war bei Gutiérrez», sagte Tron ohne Einleitung zu  Pater Calderón. Und dann ohne Pause weiter: «Wir haben  uns getäuscht. Gutiérrez ist unschuldig. Die heimlichen Begegnungen zwischen Gutiérrez und Mrs. Bennet waren eher …»
    Pater Calderón unterbrach ihn. «Eher privater Natur? Ist es das, was Sie sagen wollen, Conte?»
    Wie bitte? Tron schnappte nach Luft. Er hatte das unangenehme Gefühl, dass er dabei wie ein Fisch aussah. Schließlich fand er die Sprache wieder. «Woher wissen Sie davon?»

    Pater Calderón lächelte dünn. «Die Bennets sind Katho liken. Signora Bennet wird von einem Amtskollegen aus  San Stefano betreut. Den ich heute Vormittag gesprochen habe.» Und der es mit dem Beichtgeheimnis nicht so genau nahm, was Pater Calderón aber für selbstverständlich zu halten schien. «Die Dame», fuhr Calderón lakonisch fort, «hatte eine Affäre mit Gutiérrez. Das war alles.» Er zuckte die Achseln. «Ich gebe zu, ich habe mich getäuscht. Sie werden den Täter in anderen Kreisen suchen müssen, Commissario.»
    Was eigentlich genau das war, dachte Tron, was er Pater Calderón hatte erzählen wollen. Er sah, wie die Principessa nach ihren Zigaretten griff und sich auf ihrer Récamiere zurücklehnte. Durch die aufflackernde Flamme ihres Streichholzes blickte sie erst zu ihm, dann zu Pater Calderón.
    «Der Botschafter hat angedeutet», sagte Tron langsam,  «dass die Kirche ein Interesse an diesen Photographien haben könnte. Er sprach von einer ernsten Meinungsverschiedenheit zwischen dem Erzherzog und Bischof Labattista hinsichtlich der Rückgabe der Kirchengüter. Und der Möglichkeit, auf die Meinung des Erzherzogs einzuwirken, die der Besitz dieser Photographien eröffnet.»
    War das deutlich genug? Offenbar, denn Pater Calderón  ging sofort darauf ein. Allerdings nicht wie jemand, der sich in die Enge getrieben fühlte. Er klang eher amüsiert.
    «Hat Gutiérrez Sie auch aufgefordert, mich nach mei nem Alibi für die Zeitpunkte der beiden Morde zu befragen?» Jetzt lächelte der Pater sogar.
    Tron erwiderte das Lächeln nicht. «Wenn ich das tun  würde – was würden Sie mir antworten?»
    «Dass Sie immer noch in die falsche Richtung blicken,  Commissario.»

    «Und in welche Richtung sollte ich blicken?»
    Pater Calderón hob die Schultern. «Maximilian ist ein  Liberaler. Wenn er in Mexiko Erfolg hat, wird er diesen Erfolg als Sprungbrett für höhere Aufgaben benutzen. Das spricht er nicht aus, aber alle wissen es.»
    «Er könnte zurück nach Europa kommen?»
    Pater Calderón nickte. «Der Albtraum der Hofkamarilla.
    Die würden Maximilian am liebsten bereits in Triest erledigen. Und mit diesen Photographien hätten sie den Erzherzog in der Hand.»
    «Soll das heißen, dass der Kaiser diese Verbrechen angeordnet hat?»
    Pater Calderón schüttelte den Kopf. «Franz Joseph wird  sich hüten, konkrete Vorschläge zu machen. Es reicht,  wenn er zu erkennen gibt, dass er bestimmte Resultate  wünscht.»
    «Zum Beispiel die völlige Kompromittierung seines  Bruders durch irgendeine unappetitliche Geschichte.»
    «Die wäre für den Kaiser außerordentlich wünschens wert.»
    Zu seinem Erstaunen stellte Tron auf einmal fest, dass er Pater Calderón glaubte. Oder kurz davor war, ihm zu glauben. Oder ihm glauben wollte, weil es ihm die unvermeidliche Auseinandersetzung mit der Principessa ersparte. «Und wer könnte diese Morde begangen haben?»
    Tron sah, wie sich Pater Calderón erhob, seine Soutane  glatt strich, sich zur Seite wandte und den Ricci über dem Kamin betrachtete, auf dem eine unbekleidete Najade mit einem römischen Krieger verhandelte.
    «Sagen wir es so, Commissario.» Pater Calderón nahm  wieder Platz und betrachtete den Rosenkranz in seiner  rechten Hand, so als würde er dort einen komplizierten  Text ablesen. «Ich habe etwas erfahren, das wahrscheinlich inzwischen schon in halb Venedig bekannt ist. Vermutlich hat einer der Leichenträger geredet, und Sie wissen ja, wie schnell sich bestimmte

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