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Venezianische Verlobung

Venezianische Verlobung

Titel: Venezianische Verlobung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicolas Remin
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Galotti hieß, an jenem verhängnisvollen Spätsommertag des Jahres 1849 das Leben gerettet hatte, musste es sich um Pater Calderón handeln. Und das wog schwer, nicht nur für die Principessa, sondern auch für ihn, weil er die Principessa  liebte – ein Umstand, der jedoch die ganze Angelegenheit zusätzlich komplizierte, weil Tron nicht die Absicht hatte, die Figur des Eifersüchtigen aus einer GoldoniKomödie zu geben.
    Fest stand allerdings, dass sich Pater Calderón und die Principessa, nachdem sie sich länger als ein Jahrzehnt aus den Augen verloren hatten, in Paris wieder begegnet waren. Im Sündenbabel Paris ! Auch über diese Begegnung hatte sich die Principessa nur sehr vage geäußert. Dass irgendetwas zwischen ihr und dem Pater geschehen war oder fast geschehen wäre, hatte sie nicht einmal angedeutet, aber Tron hatte trotzdem das Gefühl, dass es zwischen der Principessa und Pater Calderón etwas Ungeklärtes gab – etwas, das wie ein feines Gespinst über den Blicken lag, die sie einander zuwarfen, über der Art, wie sie miteinander redeten. Tron wusste selbstverständlich, dass dieses Gefühl in hohem Maße irrational war, ein bloßes Produkt seiner Einbildungskraft, aber das half ihm nicht. Er war unfähig, dieses vage Unbehagen gegenüber Pater Calderón abzuschütteln – dieses diffuse Misstrauen, das es ihm unmöglich machte, sich in der Gegenwart des Paters zu entspannen und beim Anblick seines gut geschnittenen Profils und seiner breiten Schultern nicht schlagartig nervös zu werden. Nein – es hatte keinen Sinn, sich etwas vorzumachen. Er konnte Pater Calderón schlicht und einfach nicht ausstehen.
    Als Tron kurz nach sieben den eisernen Klingelzug am  Palazzo der Principessa betätigte und ihm Woussada (Wassouda?) die Tür öffnete, gestand er sich ein, dass ein Teil von ihm Pater Calderón mit dem größten Vergnügen aus dem Verkehr ziehen würde – unabhängig davon, ob das,  was Bossi die Faktenlage nannte, es nun zuließ oder nicht.
    An einem Punkt jedenfalls war die Faktenlage eindeutig.

    Der schwarze Mantel, der im Vestibül der Principessa hing und dessen Ärmel sich leicht im Luftzug des Treppenhauses bewegten, gehörte niemand anderem als Pater Calderón.
    Also war der Pater (sozusagen aus dem Sündenbabel Paris herbeigeeilt) zu Besuch, zweifellos um ihr hinsichtlich seines wahren Charakters Sand in die Augen zu streuen und nebenbei – dem Burschen war alles zuzutrauen – gegen ihre Verlobung zu sticheln.
    Während Tron langsam auf die Salontür zuschritt, die  Moussada (Massouda?) bereits zeremoniell geöffnet hatte, überlegte er sich hastig eine Strategie, wahrscheinlich wäre es am klügsten, dem Pater erst mal einen kräftigen Schock zu versetzen. Und die Mitteilung, dass sich Gutiérrez als unschuldig erwiesen hatte, würde ihn ziemlich dumm aus seiner Soutane gucken lassen. Wenn die Juaristas als Verdächtige aus dem Rennen waren, blieben nur noch die heilige Kirche und deren Handlanger übrig. Tron würde dies nicht direkt aussprechen, sich aber in lockerem Konversationston nach dem Alibi des Paters erkundigen. Da würde der Pater noch dümmer aus der Soutane gucken. Der Rest  war Polizeiroutine. Vorladung auf die questura, dort eine protokollierte Vernehmung und anschließend, falls der Pater mit keinem plausiblen Alibi aufwarten konnte, was Tron stark annahm, die Verhaftung.
    Falls es nicht klüger war – und das war die andere Möglichkeit, die Tron durch den Kopf schoss – die Angelegenheit sofort zu regeln. Ohne Vorladungen, Vernehmungen, Protokolle und Gerichtsverfahren. Immerhin hatte der Pater der Principessa das Leben gerettet, und Tron widerstrebte die Vorstellung, diesen Mann für den Rest seines Lebens hinter Gitter zu schicken – falls ihn das Gericht nicht gleich zum Tode verurteilte.

    Tron blieb vor einem der zahlreichen Spiegel im Vestibül stehen, reckte das Kinn nach oben und fixierte sein Spiegelbild, so wie er gleich Pater Calderón fixieren würde.
    Dann räusperte er sich und sagte mit einem Gesichtsausdruck gelassener Entschlossenheit: «Wir wissen alles über Sie, Calderón.» Das Pater würde er weglassen. «Eigentlich müsste ich Sie verhaften. Aber ich gebe Ihnen zwölf Stunden Zeit, aus der Stadt zu verschwinden.»

    Das Erste, was Tron auffiel, als er den Salon betrat, war der Umstand, dass die Récamiere der Principessa und der Stuhl, von dem sich Pater Calderón mit einem salbungsvollen Lä cheln erhob, geradezu obszön dicht

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