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Venezianische Verlobung

Venezianische Verlobung

Titel: Venezianische Verlobung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicolas Remin
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Calderón nicht besonders zu stören schien.
    «Aber der Kapitänleutnant wäre gezwungen, die Photogra phien herauszurücken», sagte er. «Die Hofkamarilla hätte nichts mehr gegen den Erzherzog in der Hand, und Franz Joseph wäre gezwungen, seine Hunde in Zukunft an die  kurze Leine zu nehmen.»
    Die Principessa mischte sich ein. «Pater Calderón hat  Recht», sagte sie. «Du kommst an Beust nicht heran. Aber du kannst verhindern, dass die Hofkamarilla den Erzherzog versenkt, bevor er überhaupt abgelegt hat.» Sie sah Tron durchdringend an, und ihre Warnung vor einem möglichen Einwand spiegelte sich deutlich in ihrem Gesicht.
    «Geh zu Spaur», sagte sie, «und rede mit ihm. Wir brauchen einen Bericht, der direkt in die Hofburg geschickt wird. Und zwar einen, den der Baron persönlich unterzeichnet hat.»

33

    Johann-Baptist von Spaur, dessen graue Haarfarbe sich innerhalb der letzten drei Wochen in ein jugendliches Haselnussbraun verwandelt hatte, zupfte nervös an seiner rosafarbenen Schleife von der Größe eines jungen Flamingos, während er Tron den Bescheid der Zensurbehörde vorlas.
    Die Schleife des Polizeipräsidenten harmonierte komple mentärfarbenmäßig mit dem fröhlichen Grünton seines Gehrocks. Beides, der grüne Gehrock und die rosa Schleife, war von Signorina Bellini für ihn ausgesucht worden – Spaur hatte diesen Umstand Tron gegenüber mit einem  gewissen Stolz erwähnt. Der Gehrock (grün) und die
    Schleife (rosa) waren ebenso Ausdruck einer Generalüber holung von Spaurs Persönlichkeit wie seine neuen Gamaschen (gelb) und seine Empörung über die Zensurbehörde.
    Die in diesem Fall durch Oberleutnant Malparzer vertreten wurde, dessen Bescheid auf Spaurs Schreibtisch lag, direkt neben einer Schachtel mit Demel-Konfekt, aus der sich Spaur bereits ausgiebig bedient hatte. Der silberne Bilderrahmen auf dem Schreibtisch (den Tron nur von hinten sah) enthielt vermutlich eine Photographie von Signorina Bellini, denn jedes Mal, wenn der Polizeipräsident ihren Namen erwähnte, warf er einen zärtlichen Blick darauf.
    Wie üblich hatte Tron auf dem wackligen Bugholzstuhl  auf der anderen Seite von Spaurs Schreibtisch Platz genommen, allerdings ohne bisher die Gelegenheit gehabt zu haben, das Gespräch auf den Bericht über Beust zu lenken, den er Spaur heute Morgen geschickt hatte. Denn der Polizeipräsident hatte, kaum dass Tron saß, damit begonnen, ihm den von Oberleutnant Malparzer verfassten Zensurbescheid vorzulesen. Und der enthielt in der Tat eine kleine Sensation. Zum ersten Mal in seiner dreißigjährigen Geschichte war der Emporio della Poesia von einer Zensurmaß nahme betroffen. Dies nicht wegen Baudelaire, sondern  wegen der abgeschriebenen Gedichte Spaurs. Es war alles ein Witz.
    Spaur hatte den Bescheid, den er bereits gestern Abend  erhalten hatte, mit einer Stimme vorgelesen, in die sich Wut und Entsetzen mischte. Jetzt kam er zum letzten Absatz: « Speziell die phallischen Konnotationen dieses Gedichtes sind daher geeignet, das sittliche Volksempfinden in empfindlicher Weise zu verletzen und die Grundsätze des christlichen Glaubens in Frage zu stellen. Die Veröffentlichung wird hiermit versagt. »
    Der Polizeipräsident versank einen Moment lang in tie fes Nachdenken. Dann fragte er: «Was ist eine phallische Konnotation? »
    Tron räusperte sich. «Eine Anspielung auf das männliche Geschlechtsorgan, Herr Baron.»
    Das musste sich Spaur offenbar erst mal durch den Kopf  gehen lassen. Tron konnte fast sehen, wie sich die Rädchen hinter seiner Stirn drehten. Schließlich schickte Spaur einen verdutzten Blick über den Tisch. «Sind Sie sicher, Commissario?»
    Tron nickte. «Oberleutnant Malparzer nimmt vermutlich an der Stelle Anstoß, an der von dem Schweif die Rede ist, dem prahlenden Schweif. In seinen Ohren mag das etwas zweideutig geklungen haben.»
    Spaurs Unterkiefer klappte nach unten. «So war das  nicht gemeint.»
    Natürlich nicht, dachte Tron. Weil Spaur überhaupt  nichts gemeint, sondern einfach nur abgeschrieben hatte.
    Ob er fragen sollte, von wem er es abgeschrieben hatte?
    Nein – lieber nicht.
    «Sie hätten mich darauf hinweisen müssen, Commissario», meinte Spaur.
    Tron sagte steif: «Ich greife grundsätzlich nicht in die Verse meiner Autoren ein. Das ist nicht der Stil des Emporio. Aber man könnte in Erwägung ziehen, die entsprechende Zeile behutsam zu ändern.»
    Oder einfach ein anderes zu Wort nehmen, das so ähnlich klang. Oder ein

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