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Venezianische Verlobung

Venezianische Verlobung

Titel: Venezianische Verlobung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicolas Remin
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grotesk.»
    Aber war es wirklich so grotesk? Die Ansichten Pater  Calderóns als ein wenig streng zu bezeichnen, musste Tron zugeben, war die Untertreibung des Jahres.
    Gutiérrez betrachtete aufmerksam seine manikürte rechte Hand, die auf der Kante seines Schreibtisches ruhte. Er schien es nicht für nötig zu halten, Tron zur Bekräftigung seiner Worte anzusehen. «Sie werden jedenfalls zugeben müssen», sagte er, ohne die Stimme zu heben, «dass die katholische Kirche ein großes Interesse an diesen Photographien hat. Das Verhältnis von Erzherzog Maximilian und Bischof Labattista ist äußerst angespannt. Der Bischof hat ihn im Sommer auf Miramar besucht, und es wäre fast zum Streit zwischen den beiden gekommen. Maximilian hat aus seinen liberalen Ansichten nie ein Hehl gemacht, Commissario. Nur ist er im Moment auf die Unterstützung der katholischen Kirche angewiesen. Also muss er lavieren. Was ihm der Vatikan außerordentlich übel nimmt.»

    Tron sagte: «Ich glaube nicht, dass man in Rom so weit  gehen würde, einen Mord zu billigen.»
    Was zweifellos krasser Unsinn war. Dass die heilige Kirche selbst vor Massenmord nicht zurückschreckte, wenn sie ihren weltlichen Besitz gefährdet sah, hatte sie im Laufe ihrer Geschichte zu oft bewiesen.
    Das Lächeln, das Gutiérrez durch den sich kräuselnden  Rauch seiner Zigarette hindurch über den Tisch schickte, war dünn wie ein Messer. «Was wissen Sie über Pater Calderón?»
    Gute Frage. Was wusste er über Calderón? Gar nichts,  dachte Tron. Er wusste nur, dass der Priester mit der Principessa befreundet war. Und dass ihm, Tron, irgendetwas an dieser Freundschaft nicht gefiel. Und dass er es immer vermieden hatte, darüber nachzudenken. Laut sagte er: «Genug, um diese Möglichkeit auszuschließen.»
    Gutiérrez zuckte die Achseln. «Auf jeden Fall hatte er  ein Motiv. An Ihrer Stelle würde ich mich fragen, ob der Pater auch ein Alibi hat.» Der Botschafter drückte seine Zigarette aus, als würde es sich bei dem Stummel um das Alibi von Pater Calderón handeln.
    «Das ist eine ziemlich schwere Anschuldigung, die Sie  hier erheben, Exzellenz.»
    Gutiérrez wischte sich einen Krümel Tabak vom Hand rücken. «Die Anschuldigung, die Sie gegen mich erhoben  haben, wog nicht weniger schwer.»
    «Wie kann ich Ihr Alibi für die Mordnacht überprüfen?»
    «Mein Wort reicht Ihnen nicht, oder?»
    Tron lächelte verbindlich. «Ich fürchte, in diesem Fall reicht es nicht.»
    Gutiérrez stand auf. Die Art, wie er sich erhob, signalisierte, dass das Gespräch beendet war. «Sie können es über haupt nicht überprüfen», sagte er. «Aber Sie sollten sich gelegentlich um das Alibi von Pater Calderón kümmern.»

    «Was meinen Sie, Bossi? Hat Gutiérrez gelogen?»
    Sie standen unter der grün gestreiften Markise, die den Eingang des Danieli überspannte, und sahen zu, wie die Feuchtigkeit vom Rand der Markise auf das Pflaster herabtropfte. In anderen Städten, dachte Tron, kündigte sich der Herbst mit gelben Blättern an, die ein kalter Wind über das Pflaster wehte. Hier in Venedig, wo es kaum Bäume gab, war es der Atem, der irgendwann Ende Oktober wie  Rauch in der Luft hing.
    «Natürlich hat er gelogen.» Bossi verzog das Gesicht.
    Ob er das tat, weil Trons Frage die Möglichkeit enthielt, dass Gutiérrez die Wahrheit gesagt haben könnte, oder weil ihm einfach kalt war, blieb unklar. «Dass Gutiérrez eine Affäre mit der Frau des Konsuls hatte, ist ein Märchen. Er hat Informationen übermittelt. Darum ging es bei diesen Treffen.»
    «Zu diesem Zweck hätte er sich auch mit dem Konsul  selbst treffen können», wandte Tron ein.
    Bossi schüttelte den Kopf. «Das wäre viel zu riskant gewesen. Man hätte sie zusammen sehen können. Dieses Risiko konnte der Botschafter nicht eingehen.»
    «Es gibt genug Möglichkeiten, sich bei Nebel und Dunkelheit irgendwo in Venedig zu treffen. Sie hätten sich kaum im Florian verabredet.»
    «Und was folgt jetzt daraus, Commissario?» Bossi runzelte die Stirn.
    «Dass die Geschichte, die uns Gutiérrez erzählt hat, vielleicht stimmt», meinte Tron.
    Bossi sah Tron einen Moment lang schweigend an.

    Dann sagte er: «Also hat er weder Signorina Slataper noch Pucci getötet. Ist es das, was Sie denken?»
    Tron zuckte die Achseln. «Es geht in diese Richtung.»
    «Gibt es die Möglichkeit, die Frau des Konsuls zu befragen? Immerhin ist sie das Alibi von Gutiérrez.»
    «Sie zu befragen ist sinnlos, weil sie diese

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