Venezianische Versuchung
ihrem im Allgemeinen so kühlen Auftreten. Er wünschte sich, er könnte ihren Mund küssen, bis er nicht mehr so streng wirkte, und ihre stets ordentliche Frisur ein wenig durcheinanderbringen.
Als er sich ihre Reaktion darauf vorstellte, lachte er laut auf. Zweifellos würde sie ihm nach dem ersten Schreck die Leviten lesen wie einem ungezogenen Schuljungen. Verflucht, was faszinierte ihn eigentlich so an ihr? Noch immer lachend richtete er sich auf. Sollte er im Bett frühstücken? Nun, zumindest würde er nicht aufstehen, ehe er nicht wie üblich eine Tasse Tee getrunken hatte. Wilson musste jeden Augenblick mit dem heißen Getränk erscheinen.
Genau in diesem Moment klopfte es, und der Kammerdiener steckte den Kopf zur Tür herein. Sein Gesicht war so mürrisch wie immer, doch seine Hände waren leer.
„Was ist los, Wilson?“, fragte Richard überrascht. „Wo ist mein Tee?“
„Es tut mir leid, Euer Gnaden, Tee gibt es nicht.“ Seine Miene war eindeutig noch unzufriedener als gewöhnlich. „Und das liegt, wie Sie sich denken können, nicht an mir. Ich hätte gern alles genauso gemacht, wie Sie es wünschen. Aber ich hatte keine Wahl.“
„Sprechen Sie nicht in Rätseln, Wilson! Dafür ist es noch zu früh.“ Aston schwang die Beine aus dem Bett und fragte sich, was aus seiner guten Laune geworden war. Verärgert wunderte er sich über den Auftritt seines Kammerdieners. Wilson wusste, wie wichtig es ihm war, jeden Tag auf die gleiche Art zu beginnen: mit einer Tasse Tee im Bett. Das war in England nie anders gewesen. Und selbst während der langen beschwerlichen Reise hatte der Diener es stets geschafft, ihm morgens eine belebende Tasse seines Lieblingsgetränks zu servieren.
Wilson war ein sehr fähiger Mann, der es sich zur Aufgabe gemacht hatte, die Wünsche seines Herrn stets und unter allen Umständen zu erfüllen. Als er sich in Portsmouth einschiffte, hatte er sogar dafür gesorgt, dass drei Legehennen mit an Bord kamen, damit der Duke morgens nicht auf sein Rührei verzichten musste.
„Wo, zum Teufel, ist mein Tee?“
„Ich bedaure zutiefst, Sie enttäuschen zu müssen, Euer Gnaden. Miss Wood hat entschieden, dass es heute keinen Tee gibt.“ Er hielt seinem Herrn den Morgenmantel hin.
„Miss Wood?“ Richard Farren, Duke of Aston, schob die Hand in den Ärmel. „Was hat Miss Wood mit meinem Tee zu tun?“
„Alles, Euer Gnaden.“ Wilsons Selbstbeherrschung bröckelte, und seine Stimme klang jetzt unüberhörbar zornig. „Sie behauptet, es sei ein unverzeihlicher Fehler, in Venedig wie ein Engländer zu frühstücken. Deshalb besteht sie darauf, dass Sie nach unten kommen, Euer Gnaden, um gemeinsam mit ihr ein landestypisches Frühstück einzunehmen. Ich habe ihr natürlich gesagt, dass Sie für diesen ausländischen Unsinn nicht zu haben sind. Aber sie hat mir gar nicht zugehört. Stattdessen hat sie erklärt, Sie hätten bereits zugestimmt, sich nach ihren Anweisungen zu richten. Ich wollte meinen Ohren nicht trauen! Ausgerechnet Sie, Euer Gnaden, sollen bereit sein, nach der Pfeife einer Gouvernante zu tanzen? Miss Wood muss den Verstand verloren haben, diese Tochter eines armen Landgeistlichen aus Northumberland!“
„Woher sie stammt und wer ihre Vorfahren sind, ist mir gleichgültig.“ Richard verknotete den Gürtel, mit dem der Morgenmantel geschlossen wurde. Dabei bewegte er sich so entschlossen und konzentriert, als rüste er sich zur Schlacht. „Dass sie sich allerdings in mein Leben einmischt, ist eine ganz andere Sache.“ Er marschierte zur Tür, öffnete sie, trat in den Flur hinaus und wandte sich zur Treppe.
Unter seinen nackten Füßen fühlte sich der Marmorboden eiskalt an. Wenn ich mir doch nur die Zeit genommen hätte, meine Schuhe anzuziehen! Aber er war zu aufgebracht, um umzukehren. Nichts würde ihn davon abhalten, diese Angelegenheit so schnell wie möglich mit Miss Wood zu klären.
Ein angenehmer Duft stieg ihm in die Nase. Das venezianische Frühstück? Er beschloss, sich einfach von den Essensdüften leiten zu lassen, stieg die Treppe hinunter und landete schließlich in einem relativ kleinen Raum mit schmalen hohen Fenstern. Die vergoldete Kuppeldecke vermittelte Aston sogleich das Gefühl, sich in einer exotischen Schmuckdose zu befinden. Zwei zierliche rot gepolsterte Stühle standen an einem kleinen Tisch, auf dem ein ebenfalls rotes Tischtuch lag.
Einen Moment lang fürchtete Richard, in einen orientalischen Albtraum hineingestolpert zu
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