Veni, Vidi, Gucci
»Dem wirst du noch zeigen, dass er einen Fehler gemacht hat, Thomas, du wirst sehen. Ich werde dir ab sofort nur noch Steaks vorsetzen, und dann wirst du wachsen wie verrückt, und wenn du dann in ein paar Jahren für England spielst, werde ich diesem Ignoranten einen Brief schreiben, um ihn an seine fatale Fehlentscheidung zu erinnern.«
Ich ziehe meinen Sohn an mich und umarme ihn fest, einerseits um seine Tränen aufzuhalten, andererseits um meine eigenen zu verbergen.
Die Kinder sind auf dem Weg zu meiner Mutter. Richard fährt sie. Ich wollte zunächst meinen Ohren nicht trauen, als er sich anbot. »Nun, du musst ja schließlich Summer nach Hause bringen«, sagte er. Womit er recht hatte. Ich wäre zwar am liebsten bei Thomas geblieben, aber Richard und Summer zusammen in einem Wagen ... Tja, die Innentemperatur im Lexus würde auch ohne die Klimaanlage absinken.
Bevor wir uns alle auf den Weg machten, verbrachte ich eine Viertelstunde mit Thomas alleine, in der ich versuchte seine Enttäuschung zu mindern.
»Chrystal Palace ist ohnehin ein Gurkenverein«, sagte ich. »Ich wollte sowieso nicht, dass du für die spielst. Du bist ein Arsenal-Spieler.«
»Aber die nehmen nur Franzosen.«
»Na und? Dann lernst du eben Französisch. Und isst Berge von Steaks.«
In diesem Augenblick beschloss ich, für das nächste Heimspiel von Arsenal Karten zu besorgen, und wenn es mich das Leben kosten würde. Im nächsten Augenblick beschloss ich, dass Richard eigentlich zwei Dauerkarten für Thomas und sich kaufen müsste, als Wiedergutmachung dafür, dass er unser Leben ruiniert hat. Bis jetzt habe ich noch keine Forderungen gestellt – wird das nicht von verbitterten, verlassenen Ehefrauen erwartet? Vielleicht ist der Augenblick ja günstig.
Die Fahrt zurück in die Stadt verläuft ruhig – und langsam, verglichen mit der Hinfahrt. Summer sitzt neben mir, fertig mit den Nerven. Sie macht den Mund erst auf, als wir die Waterloo Bridge überqueren und wieder das vertraute Gefilde nördlich der Themse erreichen.
»Was für ein Tag«, stöhnt sie. »Das war ein guter Vorgeschmack darauf, was mich als Mutter erwartet. Diese vielen ... Enttäuschungen, mit denen man fertig werden muss.«
»Bitte, du darfst dich nicht davon abschrecken lassen. Man muss Tiefen durchschreiten, um Höhen zu erleben. Und es gibt diese Höhen, glaub mir. Ich werde dafür sorgen, dass du so ein Hoch mal live bei uns miterlebst.«
Summer erwidert lachend: »Du warst vorhin großartig, weißt du das?«
»Von wegen. Der Kerl hat mich total verarscht.«
»Nein, du warst toll. Du hast dich für Thomas richtig eingesetzt. So wie du dich vorhin für mich eingesetzt hast. Und so wie du dich für Sureya eingesetzt hast. Du bist eine tolle Mutter und eine großartige Freundin.«
»Hör auf. Hör sofort damit auf«, sage ich im Befehlston. »Für heute habe ich schon genug Tränen vergossen.«
10
Z u Hause.
Alleine.
Jetzt bedaure ich, dass ich die Kinder zu meiner Mutter habe fahren lassen. Richard ist wahrscheinlich bereits unterwegs zu seiner Geliebten, um ihr das kleine schwarze Schmuckkästchen samt Inhalt zu bringen. Ich fasse nicht, wie sehr ich in Selbstmitleid versinke. Die andere wird gleich ihren Ring anziehen, ich meine Küchenschürze. Bin ich nicht ein trauriger Fall? Um es in Teeniesprache zu sagen: Ich komme mir vor wie der totale Loser. Aber ich meine »traurig« auch im ursprünglichen Sinn. Schließlich muss ich mich wohl damit abfinden, dass meine Ehe gescheitert ist. Ich muss mich nun den Tatsachen stellen. Ich bin wahrscheinlich bald allein erziehende Mutter. Hey, Mum, endlich schließt sich der Kreis.
Und jetzt sitze ich hier, ein einsames Leben vor mir. Und, ganz aktuell, einen einsamen Samstagabend vor mir, den ich überstehen muss. Was soll ich tun? Durch die Diskos ziehen? Einen Typen aufreißen? Wohl kaum.
Es ist kurz vor sechs – ja, ich schaue jetzt schon auf die Uhr –, als plötzlich das Telefon klingelt. Es ist Richard, der mich vom Wagen aus anruft.
»Wie geht es Thomas?« Meine erste Frage.
»Er war ziemlich still. Aber er wird darüber hinwegkommen. Er ist zäher, als man glaubt. Ich habe mit ihm geredet. Ich habe ihm gesagt, dass Absagen auch immer etwas Positives haben. Ich glaube, er hat mich einigermaßen verstanden.«
Oh ja, ich kann Thomas praktisch hören. Boa, so habe ich das noch gar nicht gesehen. Du hast absolut recht, Dad. Nachdem mein großer Lebenstraum zerstört ist, sehe ich jetzt
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