Veni, Vidi, Gucci
meine Sachen nach oben und lege mich in die Wanne.«
Ich starre auf den Aschenbecher auf dem Tisch. Den ich jetzt ebenfalls rieche.
Das Telefon liegt noch immer in meinem Schoß. Ich könnte Summer anrufen und mich auskotzen. Vielleicht ist auch Sureya noch wach. Dann könnte ich ihr mein Leid klagen. Aber ich weiß genau, was die beiden mir sagen würden. Summer würde mir – zum x-ten Mal – erklären, was für ein mieses Schwein mein Ehemann ist. Sie hat eine sehr schlechte Meinung von Richard. Und Sureya würde mir – zum x-ten Mal – erklären, wie glücklich ich mich schätzen kann. Sie hat eine sehr gute Meinung von Richard.
Aber im Ernst, wozu überhaupt mit jemandem darüber reden? Was ändert das? Ich gehe jetzt ins Bett. Es war Wahnsinn zu glauben, um diese Uhrzeit damit anfangen zu können, meine Ehe zu retten. Ich verschiebe das auf morgen früh. Für Aufbauarbeit benötigt man Tageslicht.
16
R ichards Vater, George, ist pensionierter Ingenieur. Daran ist nichts verkehrt, bloß dass ich einen absoluten Horror davor habe, von ihm in eine Unterhaltung verstrickt zu werden. Ich weiß aus eigener, bitterer Erfahrung, dass George zwei Stunden und länger ohne Unterbrechung, Wiederholungen oder Abschweifungen von Ölraffinerien in Saudi-Arabien erzählen kann. Richards Mutter, Elaine, ist hingegen eine sehr angenehme, umgängliche und ruhige Frau. Und dann gibt es noch Richards Schwester, Fiona, die ... nun, lesen Sie selbst.
Fiona begrüßt mich in der Diele.
»Fran, hi, du siehst aber gut aus.«
»Ach ja?«
»Ja, die paar Pfund mehr auf den Rippen stehen dir gut. Aber geht ruhig schon rein. Die anderen sind alle längst da. Oh, ist das für mich? Wieder von Liberty? Wie reizend. Und wo ist mein großer Bruder?«
So haben wir mit wenigen Sätzen festgestellt, dass a) ich zu fett bin, b) wir viel zu spät kommen, was wahrscheinlich allein meine Schuld ist, c) ich nur einfallslose Geschenke mache und d) wen kümmern a), b) und c), wenn Fiona ihren Richard nicht entdecken kann?
Fiona feiert ihren dreißigsten Geburtstag. Sie ist das Nesthäkchen der Familie. Sie hat bereits groß mit ihren Freunden gefeiert, und heute ist nun die Wiederauflage mit der Familie. Schampus, Knabberzeug und Plaudereien mit Tanten, Onkeln, Cousins, Cousinen und engen Freunden der Familie, die man nicht so schnell loswird.
George und Elaine kommen jetzt ebenfalls in die Diele, um uns zu begrüßen. Molly steht mittendrin und strahlt uns alle an, während Thomas sich hinter mir versteckt, als ich steife Umarmungen mit seinen Großeltern austausche. Wir haben diese Technik im Laufe der Jahre perfektioniert. Aus ein paar Metern Entfernung mag es zwar aussehen, als würden wir uns umarmen, aber tatsächlich kommt kein unschicklicher Körperkontakt zustande. Das ist so ähnlich, als würde man statt der Wange nur die Luft küssen.
Richard betritt nun ebenfalls das Haus, eine Flasche Moet in der Hand – wieder ein Firmengeschenk. Er lächelt mich an. Das hat nichts zu bedeuten – das war bloß ein automatischer Reflex. Der Wiederaufbau unserer Ehe hat noch nicht begonnen. Wie auch? Da ich heute Morgen Thomas zum Spiel bringen musste, hatten Richard und ich kaum Gelegenheit, miteinander zu reden. Und ein Familientreffen ist kein geeigneter Ort für einen Neuanfang. Den verschiebe ich lieber auf morgen, Montag, wenn Richard wieder arbeiten muss. Klingt doch wie der perfekte Plan.
Ich erwidere Richards Lächeln, aber er sieht es nicht mehr, weil seine Schwester sich auf ihn gestürzt hat. Das nenne ich mal eine Umarmung. So hat mein Mann mich nicht mehr im Arm gehalten seit...
Oh Mann, bin ich etwa eifersüchtig? Auf meine Schwägerin?
Gleich darauf lösen Richard und Fiona sich wieder voneinander und folgen ihren Eltern in das riesige Wohnzimmer, das zur Rückseite des Hauses zeigt. Richard nimmt Molly an der Hand und zieht sie mit. Thomas und ich bleiben alleine in der leeren, hallenden Diele zurück. Ich betrachte das Gesicht meines Sohnes. Ist das etwa Eifersucht? Auf seine kleine Schwester?
Richard ist ganz vernarrt in Molly. Aber es ist auch nicht schwer, in Molly vernarrt zu sein, oder? Sie ist fröhlich, aufrichtig, hübsch, klug ... Molly ist ganz eindeutig Richards Tochter, während Thomas ... Nun, für Richard ist Thomas ein Mysterium, das von einer Wolke von Rätseln umgeben ist, die wiederum unter einer rauen, missmutigen Schale steckt. Rätsel, die zu lösen er nicht bereit zu sein scheint. Nein, das war
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