Veni, Vidi, Gucci
ganzen Zeit in der U-Bahn den Kopf zerbrochen, ohne schlauer zu werden. Und jetzt bin ich hier.
Während ich an dem Gebäude hochblicke – zum achten Stock, wo Richards Büro ist –, beschließe ich, unter dem Vorwand bei ihm hereinzuschneien, dass ich bei meinem Einkaufsbummel zufällig hier in der Gegend gelandet bin. Dann werde ich Richard spontan vorschlagen, mit mir essen zu gehen. Und während wir uns an leichter, gesunder Kost laben, werde ich ganz beiläufig das Langham Hilton erwähnen. Und vielleicht überrascht Richard mich ja mit einer ganz harmlosen Erklärung, und wir werden darüber lachen und uns an die Stirn klatschen und uns gar nicht mehr beruhigen. Dann wird alles gut.
Warum aber habe ich dann so ein flaues Gefühl im Magen?
Ich muss mich zusammenreißen. Es muss eine harmlose Erklärung dafür geben: Wahrscheinlich wollte Richard einfach mal von seiner Frau abschalten – in einem Luxushotel. Mag sein, dass wir uns nicht mehr so nahe stehen wie früher, aber dafür haben wir zwei reizende Kinder und ein wunderschönes Haus und all die gemeinsamen Jahre. Richard hat es schließlich nicht in den achten Stock geschafft, weil er ein Idiot ist. Und nur ein Idiot würde das alles aufs Spiel setzen für eine schnelle Nummer mit einer Tippse.
Sekretärinnen ... sie sind überall um mich herum, klappern auf ihren Absätzen die Londoner Straßen entlang. Schlanke, gut gekleidete, selbstbewusste junge Frauen ... Ich blicke an mir herunter. Gott, ich habe mich nicht einmal umgezogen, bevor ich aufgebrochen bin. Ich trage nämlich – nein, das spottet jeder Beschreibung. Sagen wir einfach, dass man mich nicht gerade als gut gekleidet bezeichnen kann.
Auf der anderen Straßenseite ist eine Next-Filiale. Nicht gerade D&G, aber in der Not frisst der Teufel Fliegen. Habe ich noch fünf Minuten, um mich mal eben zu verschönern? Vergiss es – in fünf Minuten ist das nicht getan. Bring es einfach hinter dich.
Richard telefoniert gerade. Er winkt mich mit der linken Hand herein, während die Rechte etwas notiert – womit er beweist, dass er hier, wenn auch nicht zu Hause, zwei Dinge gleichzeitig tun kann.
Richards Büro ist riesig, und da es komplett von der Decke bis zum Boden verglast ist, kann ich seine Arbeitskollegen beobachten. Geschäftige, wichtige Menschen, die einer sinnvollen Arbeit nachgehen, die Grund haben, hier zu sein. Was wollte ich hier? Ach ja, die Amateurdetektivin spielen.
Ich komme mir albern vor. Richard legt in diesem Moment den Hörer auf und wendet sich mir zu, während ich am liebsten wieder davonlaufen würde.
»Hi, wie geht’s?«, sage ich in möglichst unbefangenem Ton.
»Fran, was machst du denn hier?«
Ich versuche, in Richards Gesicht zu lesen. Freut er sich, mich zu sehen? Da ich es nicht ergründen kann, spule ich mein Programm ab. »Ich war gerade zufällig in der Gegend ... kleiner Schaufensterbummel ... du weißt schon, ich brauche doch ein neues Kleid ... für die Party. Ich wollte dich fragen, ob du Lust hast, mit mir essen zu gehen.«
Ich komme mir vor wie ein pickliger, unbeholfener Backfisch, der sich gerade ein Herz gefasst hat und den Mädchenschwarm der Schule um ein Date bittet. Entspann dich! , schelte ich mich selber, schließlich ist das hier kein Fremder. Und wenn er auch mal der Mädchenschwarm der Schule war, jetzt ist er dein Mann.
»Du weißt doch, wie viel ich momentan zu tun habe, Fran.« Richard spricht langsam, so wie der Mädchenschwarm der Schule mit einer pickligen Außenseiterin reden würde. »Ich kann froh sein, wenn ich zwischendurch dazu komme, ein Sandwich zu essen, ganz zu schweigen von einem Mittagessen.«
»Oh ... Okay, war bloß so eine Idee ... «
Ich verstumme, da Richard an mir vorbeiblickt. Ich wende mich um, und eine Frau steht im Türrahmen. Sie ist sehr schön und unverschämt schlank. Das Licht, das durch die großen Glasscheiben fällt, setzt sie perfekt in Szene, als wäre dieser Auftritt einstudiert und ein Topfotograf hätte diesen Shot den ganzen Vormittag vorbereitet. Gleich darauf wirft sie ihre Haare nach hinten wie in einer Shampooreklame und sagt ihren Spruch: »Hallo Tiger, ich bin bereit. Sind die Tabellen fertig?«
Die Kamera schwenkt jetzt zu mir. Ich spiele das Pummelchen, und ich habe zwar keinen Spruch parat, aber mein Gesichtsausdruck sagt: Hat diese Frau meinen Ehemann gerade »Tiger« genannt?
Ist sie das? Hat diese Frau die Nacht mit meinem Mann im Langham Hilton verbracht? Ich blicke auf
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