Veni, Vidi, Gucci
großzügig darüber hinweg, dass ich das Thema wechsle. »Weißt du, ich kann selbst nicht glauben, dass ich bereits in der vierundzwanzigsten Woche bin.«
»Du machst Witze. Letzte Woche warst du doch noch in der einundzwanzigsten Woche, oder?«
»Ach, du kennst doch die Ärzte«, entgegnet Sureya in unbekümmertem Ton. »Man gibt ihnen die Daten, und dann heißt es, man hat sich verrechnet. Als würde ich meinen eigenen Zyklus nicht kennen. Ganz schön beknackt«, beendet sie das Thema mit einer wegwerfenden Geste. »Es ist einfach so: Das Baby kommt, wenn es kommt. Was sind schon ein paar Wochen? Wen interessiert das?« Sie stößt ein fröhliches Lachen aus, um ihren Standpunkt zu unterstreichen. Der überhaupt keinen Sinn ergibt, wenn ich ehrlich bin.
»Bist du sicher, dass mit dir alles okay ist?«, frage ich.
»Natürlich.« Wieder dieses Lachen.
Ich habe das Gefühl, dass Sureya eine Spur zu fröhlich wirkt, wenn Sie verstehen, was ich meine, aber ich werde aus ihr nicht schlau. Ich ärgere mich über mich selbst. Hätte ich vorhin mal einen richtigen Blick auf sie geworfen, wäre mir bestimmt aufgefallen, dass sie trotz ihrer dunklen Gesichtsfarbe blass wirkt und dass unter ihren normalerweise strahlenden Augen dunkle Schatten liegen.
»Willst du denn gar nichts erzählen? Was ist mit Büchern zum Thema Schwangerschaft und so?« Sureya liebt Sachbücher. Sie hat ein ganzes Zimmer voller Regale mit Sachbüchern.
»Wird schon alles gut gehen.« Sie lenkt erneut von sich ab. »Ich möchte dich was fragen, Fran. Das, was diese Weiber gesagt haben, ist es wahr?«
»Was, dass Richard mich verlassen hat? Natürlich ist es wahr.«
»Nein, ich meine, dass du ... ab und zu gerne mal zu tief ins Glas schaust.«
Ich habe natürlich gewusst, wie Sureyas Frage gemeint war. Und ich habe vorhin die Ereignisse am Wochenende in leicht verkürzter Form wiedergegeben – ich habe zum Beispiel ausgelassen, in welchem Zustand Richard mich am Samstag vorfand.
»Natürlich ist das nicht wahr«, widerspreche ich entrüstet, als hätte ich Cassie vor mir, die mich fragt, ob es wahr sei, dass ich Fertigsaucen verwende. »Sehe ich etwa aus wie eine Alkoholikerin?«
»Tut mir leid, tut mir leid, natürlich nicht. Jedenfalls nicht mehr als ich. Obwohl, ich bin zurzeit abstinent.« Sureya tätschelt ihren Bauch, der noch ziemlich winzig ist. Sie sieht noch längst nicht schwanger genug aus, dass ihr automatisch ein Sitzplatz in der Bahn angeboten wird.
»Gott, Sureya, das macht mich noch ganz verrückt«, bricht es plötzlich aus mir heraus, und ich schlage damit eine völlig ungeplante Richtung ein.
»Was denn?«, erwidert sie.
»Die Vorstellung, dass ich vielleicht ein Alkie bin. Seit dem Gespräch mit Natasha letzte Woche –«
»Dieses Miststück«, zischt Sureya.
»Ich habe ihr ein bisschen anvertraut, und sie hat daraus diese Diagnose erstellt und, nun ja, das hat mir zu denken gegeben – es hat mir keine Ruhe mehr gelassen, wenn du es wissen willst. Ich habe ein Alkoholproblem, nicht wahr? Ich bin reif für die Entzugsklinik.«
Und nun, nachdem ich es gesagt habe – nachdem ich es endlich offen gesagt habe –, spüre ich nichts als eine große Erleichterung. Wie wenn man einen fetten, überreifen Pickel ausgedrückt hat. Ein krasser Vergleich, aber das Gefühl ist das Gleiche.
»Du hast dieser Gans von deinem Vater erzählt, nicht wahr?«, fragt Sureya mit ruhiger Stimme und legt dabei den Arm um meine Schulter. In all den Jahren, die wir uns kennen, habe ich mit ihr nur einmal über meinen Vater gesprochen, aber so etwas vergisst Sureya nicht.
Und nachdem sie ihn nun erwähnt hat, muss ich so sehr weinen, dass ich nicht mehr sprechen kann. Ich nicke und schlage die Hände vors Gesicht.
»Und jetzt hast du Angst, dass es dir genauso ergehen könnte?«
Sie bringt es auf den Punkt.
»Sprich mit mir darüber, Fran. Offen und ehrlich.«
Ich sammle mich kurz und beginne dann zu erzählen. Offen und ehrlich. Dass in den Wochen vor meiner Party mein Alkoholkonsum immer mehr gestiegen ist – wie aus dem einen Glas Wein am Abend zwei oder drei wurden. Dass ich versäumt habe, die Kinder von der Schule abzuholen, weil ich meinen Rausch ausschlief. Und wie Richard mich nach unserem Ausflug in den Park vorfand.
»Der Gedanke ist mir unerträglich, Sureya«, sage ich, ohne mit dem Weinen aufhören zu können. »Also habe ich nicht darüber nachgedacht, sondern mir stattdessen einen Drink genehmigt. Ich weiß
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