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Veni, Vidi, Gucci

Titel: Veni, Vidi, Gucci Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maria Beaumont
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überhaupt nicht mehr, was mit mir los ist.«
    Sureya gibt keine Antwort, sondern holt tief Luft und weicht einen Schritt vor mir zurück. Himmel, ist sie jetzt auch gegen mich?
    »Okay, Fran, ich möchte dir jetzt ein paar Fragen stellen, und ich möchte, dass du ehrlich antwortest«, sagt sie schließlich mit entschlossener Stimme.
    Ich nicke kurz.
    »Wie viel trinkst du am Tag?«
    »Keine Ahnung. Das ist unterschiedlich. Ich zähle nicht mit.«
    »Zählst du nicht mit oder hast du den Überblick verloren?«
    »Nein, so schlimm ist es nun auch wieder nicht«, entgegne ich. »Nun ja, mal abgesehen von Samstag. Das war einfach ...«
    »Die Hölle?«, ergänzt Sureya fragend, als ich nicht weiterrede. »Das kann ich mir vorstellen. Aber trotzdem, Fran, sag mir, wie viel hast du heute schon getrunken?«, bleibt sie hartnäckig.
    Plötzlich habe ich ein bisschen Angst. Ausgerechnet vor Sureya! Verrückt, aber es ist so.
    »Noch gar nichts. Bis jetzt jedenfalls«, füge ich unheilvoll hinzu.
    »Wie fühlst du dich morgens? Woran denkst du, wenn du aufstehst?«
    »Daran, dass ich die Kinder zur Schule bringen muss, was ich ihnen in die Lunchbox packe, das Übliche eben. Warum?«
    »Zitterst du oder hast du Schweißausbrüche? Hast du das Bedürfnis nach einem Drink?«
    »Direkt nach dem Aufstehen? Hast du einen Knall? Ich bekomme morgens nicht einmal einen Kaffee herunter«, erwidere ich und wische mir die Tränen aus dem Gesicht.
    »Okay, wann trinkst du normalerweise dein erstes Glas, und ist es dann so, dass du anschließend nicht mehr aufhören kannst und immer weitertrinken musst?«
    »Nun ja, Samstag schon ...« Ich schäme mich bei der bloßen Erinnerung daran.
    »Aber das war kein normaler Tag, nicht wahr? Oder ist das schon mal vorgekommen?«
    »Nein, noch nie.«
    Sureya macht eine Pause und schüttelt den Kopf. »Diese verfluchte Natasha«, sagt sie nach einer Weile. »Was denkt die sich eigentlich?«
    »Was meinst du?«
    »Was gibt dieser blöden Kuh das Recht, solche Schlüsse zu ziehen – und dann auch noch in die ganze verdammte Welt hinauszuposaunen? Die hat doch keine Ahnung, wovon sie redet. Alkoholismus ist – wie jede Sucht – eine sehr komplexe Angelegenheit. Und Natasha ist keine Ärztin, die sich damit auskennt.«
    »Du aber auch nicht, Sureya«, entgegne ich. Sie gibt Theaterkurse, aber im Moment hört sie sich an, als wäre sie ein Gründungsmitglied der Anonymen Alkoholiker. Am liebsten würde ich lachen, aber ich traue mich nicht.
    »Entschuldige, aber ich weiß durchaus, wovon ich rede«, widerspricht Sureya empört.
    »Du hast Theaterwissenschaft studiert, und nicht Medizin«, sage ich zögernd.
    »Ja, aber ich habe in meinem Studium ein Praktikum in einer Suchtklinik gemacht.«
    Jetzt – während ich mir ausmale, wie Sureya Junkies beizubringen versucht, mit der Nadel eins zu werden – muss ich mich doch sehr beherrschen, um nicht loszuprusten. Vielleicht sind es die Nerven, vielleicht ist es auch einfach nur witzig. Ich kann es nicht sagen.
    »Du kannst ruhig lachen ...«
    Ja, ich befürchte, das könnte passieren.
    »... aber ich habe damals viel mitbekommen. Und ich habe viel gelernt. Ich weiß jedenfalls mehr darüber als die doofe Natasha. Jeder Experte wird dir sagen, dass regelmäßiger Alkoholkonsum eine Abhängigkeit darstellt. Demnach wären die meisten Erwachsenen alkoholsüchtig. Aber richtiger Alkoholismus – also das Unvermögen, ohne Alkohol zu funktionieren – ist etwas ganz anderes. Und glaube mir, du bist keine Alkoholikerin.«
    »Nicht?«
    » Nein . Und du darfst nicht denken, dass du automatisch so enden wirst wie dein Vater. Alkohol ist ein Trostpflaster, zu dem wir greifen, wenn wir unter Stress stehen. Und sag mir, wann hattest du jemals so viel Stress wie im Moment?«
    Ich zucke die Achseln.
    »Siehst du? Es hätte mich gewundert, wenn du in letzter Zeit nicht öfter zur Flasche gegriffen hättest. Ich wette, du qualmst auch mehr als sonst.«
    Sie hat recht, ich rauche wirklich mehr. Ich verspüre Erleichterung, weil diese Worte von Sureya kommen. Das, was sie sagt, hat nämlich Hand und Fuß. Und sie ist die Therapiekönigin. Wenn es nach Sureya ginge, müssten wir alle in Therapie, weil wir Schuhe und Strümpfe tragen. (»Aber warum verstecken Sie Ihre Füße? Sagen Sie jetzt nicht, dass Sie ohne Socken frieren. Das ist eine klassische Jungsche Verdrängung.«) Aber im Moment erspart sie mir ihre Ich-glaube-du-brauchst-eine-Therapie-Rede.
    »Außerdem warst du

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