Venit. Die Akte Veden: Thriller (Filii Iani-Trilogie) (German Edition)
war ihre Reporter-Wachsamkeit anscheinend doch nicht betäubt. Aufmerksam musterte sie sein Gesicht.
»Ja. Kollege und Cousin, was es nicht besser macht.« Er verstummte. Jetzt wirkte er doch irgendwie verlegen.
Ella starrte seine vollen Lippen an. Als ihr das bewusst wurde, riss sie erschrocken den Blick los und machte einen weiteren Schritt zurück. Sie ließ die linke Hand in die enge Hosentasche gleiten, zog eine ihrer zerknitterten Visitenkarten heraus und reichte sie Tim. Er streifte absichtlich ihre Finger, als er sie entgegennahm.
»Wie lange musst du denn noch arbeiten?«, fragte Ella leise, um eine feste Stimme bemüht. »Ich habe nämlich frei. Ich meine, ich muss heute nicht unbedingt noch arbeiten. Vielleicht ...« Sie verstummte und verfluchte sich innerlich.
Das Grinsen kehrte zurück. Er warf einen Blick auf die Visitenkarte, bevor er sie sich seinerseits in die Hosentasche schob. »Sehr gerne. Ich denke, in einer bis zwei Stunden müsste ich fertig sein, dann rufe ich dich an, ja?«
Ella nickte und erwiderte das Lächeln. Sie schluckte, wandte sich ab und ging über den Rasen davon, ohne noch etwas zu sagen. Sämtliche möglichen Erwiderungen waren wie fortgewischt, ihre ansonsten so kreative Schlagfertigkeit hatte anscheinend Urlaub genommen.
Bevor sie in Richtung Iltisstraße aus dem Park bog, sah sie sich noch einmal um. Tim stand noch immer unter dem Baum, erwiderte ihren Blick und winkte mit der freien Hand. In der anderen hielt er das Smartphone. Er telefonierte. Ella legte einen Zahn zu.
Nur sehr langsam ließ dieses warme Gefühl in ihrem Magen nach, das sie so gar nicht einordnen konnte.
*
Tim sah Ella nach, und als sie sich umdrehte, winkte er ihr.
»Hallo? Johnny?«
»Ja, ich bin noch dran. Was ist denn?«, sagte Tim ins Handy.
Einen Moment folgte Stille. Tim setzte sich in Bewegung und ging den gleichen Weg, den Ella genommen hatte. Der Mietwagen stand noch immer vor dem Schulgebäude – hoffentlich traf er nicht auf Lühnsmann.
»Das wollte ich eigentlich dich fragen, mein Lieber. Du hast mich unzählige Male angerufen. Außerdem verspätest du dich.«
Tim seufzte. »Es gab hier einen kleinen Zwischenfall, der aber gar nicht der Rede wert ist. Ich erzähle dir davon, wenn ich da bin.«
»In Ordnung.« Erneut folgte einen Moment Stille. »Johnny, du hörst dich verändert an. Ist etwas geschehen?«
Ein Grinsen schlich über seine Lippen. »Ich bin gleich da. Gib mir fünfzehn Minuten.« Er legte auf, schob das Handy in die Hosentasche und verfiel in Laufschritt. Ihnen blieb nicht mehr viel Zeit, bis Chester auftauchte.
Nach wenigen Minuten war er wieder vor der Schule. Tim verharrte abseits und verschaffte sich einen Überblick. Die Spezialeinheit schien gerade abzuziehen, einer ihrer Busse fuhr an, in die zwei anderen wurden Gerätschaften verstaut. Die Polizei hatte sich ebenfalls zurückgezogen, es waren nur noch zwei Streifenwagen vor Ort. Tim fand Lühnsmann, der nahe des Eingangs in einer Gruppe von fünf Männern stand, mit denen er sich unterhielt. Wenn sie neben dem Jungen, den Tim gestellt hatte, weitere Jugendliche verhaftet hatten, waren sie schon weggebracht worden.
Tim setzte sich die Kapuze des Pullovers auf, senkte den Kopf, schob die Hände in die Hosentaschen und ging los. So schnell er konnte lief er zum Volvo hinüber, entriegelte ihn und ließ sich auf den Fahrersitz fallen. Er steckte den Schlüssel ins Zündloch, startete den Motor und setzte zurück. Gerade, als er auf die Straße bog, sah er Lühnsmann, der ihn erblickt hatte und jetzt mit hochrotem Kopf auf ihn zulief.
Tim winkte ihm, dann drückte er aufs Gas.
Mit den Utensilien in den Armen marschierte er schließlich zwanzig Minuten später über den Campus zu ihrem Wohnhaus. Er wollte direkt auf sein Zimmer gehen, um noch rasch zu duschen – so viel Zeit musste sein –, als er jemanden aus Lokis Unterkunft kommen sah. Tim beschleunigte seinen Schritt, stoppte vor der Tür seines Cousins und blickte der Person nach. Kurzentschlossen klopfte er bei Loki.
»Ja bitte?«, antwortete sein Cousin, und Tim öffnete die Tür.
Er fand Loki in Unterhosen und mit zerwühlten Haaren vor. Rauchend saß er am Tisch und erwiderte Tims Blick. Nicht zum ersten Mal fiel Tim auf, wie muskulös sein Cousin war. Unter seiner Kleidung konnte man das nicht erkennen, zumal er relativ schmächtig wirkte, außerdem war es Tim ein Rätsel, wie sich Loki in Form hielt. Er hatte ihn noch nie Sport
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