Venit. Die Akte Veden: Thriller (Filii Iani-Trilogie) (German Edition)
wir sitzen einsam drinnen und lauschen oft hinaus.
Loki ließ den Blick erneut hinüber zum Wald gleiten. »Ein schmaler Waldstreifen, nicht wahr? Dahinter liegt gleich Kiels Industriegebiet.«
Das Ehepaar Gerber war sichtlich verwirrt über den Themenwechsel. Beide sahen hinüber, antworteten aber nichts.
Loki sah sie an, zuerst sie, dann ihn. Er ließ seine Mundwinkel lächeln.
Die Abneigung, die Herr Gerber seinem ungebetenen Gast hatte zukommen lassen, schwand urplötzlich. Seine Schultern sackten herunter, in seinem Gesicht zeichnete Traurigkeit die Züge, die Augen blickten flehend zu Loki. »Herr von Schallern, bitte, geben Sie uns Antworten. Es ist unser Kind ! Sie können sich nicht vorstellen, was wir durchmachen. Bitte, wenn Sie etwas wissen, dann sagen Sie es uns! Bitte!«
Es ist, als müsstest leise du klopfen an die Tür, du hättst dich nur verirret, und kämst nun müd zurück.
Loki erwiderte den Blick aus den bekümmerten Augen. Mit einer unscheinbaren Bewegung zog er eine seiner Visitenkarten aus der Hosentasche und reichte sie Herrn Gerber. »Falls Sie mich eines Tages erreichen möchten.« Er ging auf das Gartentürchen zu.
Wir armen, armen Toren! Wir irren ja im Graus des Dunkels noch verloren – du fandst dich längst nach Haus.
»Herr von Schallern!«, rief Frau Gerber hinter ihm her und tauchte neben Loki auf. Sie hielt ihn am Arm fest. »Warum sind Sie hier? Haben Sie Hinweise gesucht?«
Loki musterte ihr Gesicht, registrierte die Überreste einer schlecht entfernten Wimperntusche, die roten Flecken um Nase und Augen. Wieder brachte er seine Mundwinkel zum Lächeln.
»Eichendorff«, sagte er und machte sich aus ihrem Griff frei. Er warf Herrn Gerber einen letzten Gruß mit der Hand zu und drehte sich wieder um. »Lesen Sie das Gedicht Eichendorffs!«
Er sprang in seinen Mietwagen, zog das Smartphone heraus und tätigte einige Anrufe. Anschließend fuhr er zurück in die Kieler Innenstadt und steuerte auf die Uni-Klinik zu. Nach einigem Suchen fand er einen nahen Parkplatz, lief zum Eingang und nahm den gleichen Weg in die Pathologie, den Tim und er am Tag zuvor genommen hatten. Loki musste nicht lange nach der Ärztin fragen. Sie kam ihm auf dem Flur entgegen, zusammen mit einem Kollegen.
»Ah, Herr von Schallern«, erinnerte sie sich und gab ihm die Hand. »Möchten Sie noch einen Blick auf das Mädchen werfen? Der Abschlussbericht ging heute Morgen an Herr Lühnsmann.«
Loki schüttelte den Kopf. »Nicht nötig. Darf ich Sie einen Moment unter vier Augen sprechen?« Er sah den jungen Mann an, den die Pathologin bei sich hatte.
»Geh schon mal vor«, sagte sie zu ihm und vergrub die Hände in den Taschen ihres weißen Kittels. »Ich komme gleich nach. Bestell mir die Tagessuppe, sei so lieb.«
Der Mann nickte und ging davon, den Flur hinunter.
»Was kann ich für Sie tun?« Die Pathologin nahm den Ausweis entgegen, den Loki ihr hinhielt, und betrachtete das Foto darauf. Sie lächelte. »BKA, soso. Mir ist gar nicht aufgefallen, dass Sie sich letztens nicht ausgewiesen haben.« Die azurblauen Augen musterten Loki aufmerksam, dann senkten sie sich wieder auf den Ausweis. »Auf dem Bild waren Sie noch ein paar Jahre jünger, was? Wie lange arbeiten Sie denn schon für den Verein? So alt können Sie ja noch nicht sein. Lassen Sie mich raten: Sie sind um die dreißig, maximal fünfunddreißig?«
Loki warf einen Blick auf ihr Namensschild am Kragen. »In der Tat, wir haben uns einander nicht vorgestellt. Wie unhöflich. Sie sind Frau Winter?«
Das Lächeln wurde breiter. »Tina.« Sie reichte den Ausweis zurück.
»Nun gut, Tina. Ich schätze Ihre Meinung sehr hoch, deshalb bin ich erneut hier und muss Ihre Dienste in Anspruch nehmen. Gehe ich recht in der Annahme, dass Sie diskret sind?«
Die Pathologin hob die Brauen. »Absolut, Herr von Schallern. Ich hoffe, es geht um ein Abendessen? Heute würde es mir gut passen.« Sie lächelte.
Loki schwieg einen Augenblick. »Sie haben sicher eine Blutprobe genommen?«
»Von Ihnen?«
Er sah sie nur an, deshalb seufzte sie leise, das Schmunzeln wurde dabei breiter. Die Augen weiterhin fest auf Loki gerichtet, trat sie von einem Bein auf das andere, und während sie sprach, wurde ihr Gesichtsausdruck allmählich ernst.
»Selbstverständlich haben wir eine Blutprobe genommen. Keine auffälligen Substanzen, falls Sie das fragen wollen. Sämtliche Ergebnisse waren unauffällig, wenn man davon absieht, dass Frau Mahlstedt unter
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