Venus 01 - Piraten der Venus
in das bösartige Gesicht fahren. Im gleichen Augenblick verlor ich das Gleichgewicht.
Das Wesen stürzte auf mich. Ich wurde von seinem Gewicht vom Ast gedrückt und fiel ins Uferlose. Zum Glück wurde mein Sturz sofort von tieferliegenden Ästen gebremst, und ich klam merte mich fest und brachte mich in Sicherheit. Ich hatte mein Schwert nicht fallenlassen und kletterte jetzt hastig wieder hoch, um Kamlot vor weiteren Angriffen zu schützen. Zu meiner Er leichterung sah ich, daß der große Targo – wie das Wesen von den Vepajern genannt wurde – tot war.
Aber auch Kamlot lebte nicht mehr. Ich konnte weder Puls- noch Herzschlag feststellen, und mein eigenes Herz wurde schwer vor Kummer. Ich hatte einen Freund verloren – einen meiner we nigen Freunde auf diesem Planeten. Außerdem wußte ich nicht, wo wir uns befanden. Ich ahnte, daß ich den Rückweg zur vepa janischen Stadt nicht wiederfinden konnte, auch wenn mein Leben davon abhing. Ich konnte zwar nach unten steigen, aber ob wir uns noch über der Stadt befanden, war zumindest zweifelhaft.
Das war also die Tarelernte – die Beschäftigung, deren Mono tonie ich gefürchtet hatte!
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Ich raffte mich schließlich auf und beendete die angefangene Arbeit; immerhin hatten wir die Expedition wegen des Tarels unternommen, und wenn es mir wider Erwarten doch gelang, die Stadt wiederzufinden, wollte ich wenigstens etwas vorweisen können. Doch was sollte mit Kamlot geschehen? Der Gedanke, den Körper zurückzulassen, war mir zuwider, denn obwohl wir uns nur kurze Zeit gekannt hatten, war er mir doch ans Herz gewachsen. Zudem hatte mich sein Volk freundlich aufgenommen, und so war es meine mindeste Pflicht, seinen Körper in die Stadt zurückzubringen. Ich machte mir natürlich klar, daß ich mir damit keine ganz leichte Aufgabe stellte, die ich jedoch nicht umgehen konnte. Zum Glück war ich ziemlich kräftig und fand in der niedrigen venusianischen Schwerkraft einen Bundesgenossen.
Es bereitete mir unerwartet geringe Mühe, Kamlots Körper auf meinen Rücken zu hieven und dort mit einem Seil festzubinden. Vorher hatte ich seine Waffen an ihm befestigt, denn da ich mit den Sitten dieses Landes nicht vertraut war, wußte ich auch nicht, was von mir in einer solchen Situation erwartet wurde, und ging vorsichtshalber kein Risiko ein.
Die nächsten zehn oder zwölf Stunden wurden zu einem Alp traum. Allein die Berührung des toten Körpers meines Freundes war äußerst unangenehm; zudem bedrückte mich ein starkes Ge fühl der Sinnlosigkeit und des Verlorenseins in dieser fremden Welt. Die Stunden vergingen, und ich gönnte mir nur wenig Ruhe. Während ich abwärts stieg, schien der Körper auf meinem Rücken immer schwerer zu werden. Als er noch am Leben war, hatte Kamlot vielleicht hundertundsechzig Pfund gewogen, was auf der Venus etwa hundertundvierzig Pfund entsprechen mochte; als sich aber die Nacht herabsenkte, hätte ich schwören können, ein Tonnengewicht auf dem Rücken zu haben.
Ich war so müde, daß ich mich nur noch langsam bewegen konnte und mich vorsichtig vortasten und jeden Halt sorgfältig auspro bieren mußte, ehe ich mich darauf stützte. In meinem Zustand hätte der geringste Fehltritt einen tödlichen Sturz zur Folge ge habt.
Ich hatte bald den Eindruck, viele hundert Meter hinabgestiegen zu sein, doch von der vepajanischen Stadt war keine Spur zu se hen. Mehrmals hörte ich das Geräusch von Tieren, die sich in den Ästen bewegten, und zweimal kreischte ein Targo in der Dunkel heit. Ich wagte nicht daran zu denken, was geschehen würde, wenn mich eines dieser Ungeheuer angriff, und beschäftigte mich statt des sen mit den Erinnerungen an meine Freunde auf der Erde. Ich rief mir die Tage meiner Jugend ins Gedächtnis zurück – die Zeit mei nes Studiums beim alten Chand Kabi; ich dachte an Jimmy Walsh und an die vielen Mädchen, die ich gemocht hatte und mit denen es mir zum Teil fast ernst gewesen war. Damit kehrte auch der Gedanke an das wunderschöne Mädchen im Garten des Jong zurück. Wer war sie? Welcher geheimnisvolle Umstand verbot ihr, mit mir zu sprechen? Sie hatte gesagt, daß sie mich haßte, wäh rend ich ihr meine Liebe erklärt hatte, was mir plötzlich ziemlich dumm vorkam. Wie konnte ich ein Mädchen lieben, das ich nur wenige Augenblicke gesehen hatte, ein Mädchen, über das ich ab solut nichts wußte? Ich hatte keine Ahnung, wie alt sie war. Ich wußte nicht einmal ihren Namen! Und doch konnte ich es nicht leugnen
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